Immer mehr Menschen arbeiten Teilzeit. War die Teilzeitbeschäftigung früher vor allem eine Domäne niedrig qualifizierter Frauen, so arbeiten nun auch immer mehr Hochqualifizierte und Männer Teilzeit. Aber warum?

Die Frage ist nicht ganz unwichtig. Immerhin ist der gesamte Beschäftigungsaufbau von 2000 bis 2007 mit einem beachtlichen Plus von sieben Prozent alleine auf die Teilzeit zurückzuführen. Während die Zahl der Erwerbstätigen (dazu zählen neben den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auch Mini-Jobber, Beamte und Selbständige) in Vollzeit sogar um zwei Prozent sank, nahm die in Teilzeit um 43 Prozent zu.

Gewerkschafter und Linke antworten auf die Frage nach den Gründen für Teilzeit meist: Weil sie müssen. Vollzeitstellen werden durch Teilzeit- und Mini-Jobs ersetzt.

Arbeitgeber würden eher sagen: Weil sie wollen. Und weil wir Arbeitgeber so viel Wert auf Familienfreundlichkeit legen.

Wir als Statistiker sagen: Schau mer mal.

Gründe für Teilzeitbeschäftigung in Prozent. Hellgrau: Frauen, Blau: Männer, Dunkelgrau: Insgesamt. Quelle: DIW

Tatsächlich arbeitet der Großteil der Teilzeitkräfte nach einer Erhebung des DIW aus familiären Gründen (44 Prozent) und damit mehr oder weniger freiwillig Teilzeit. Überwiegend ist die Pflege von Kindern oder Pflegebedürftigen (24 Prozent) der Hauptgrund. Allerdings arbeiten immerhin 22 Prozent der Teilzeitbeschäftigten unfreiwillig nicht in Vollzeit. Das trifft besonders auf Männer zu.

Betroffen sind vor allem niedrig Qualifizierte. Während Arbeitnehmer mit einfachen Tätigkeiten zu 29 Prozent unfreiwillig in Teilzeit arbeiten, sind es von den Teilzeit arbeitenden Managern, Ingenieuren und Spezialisten nur 12 Prozent. Und das, obwohl viele Doktoranden und wissenschaftliche Mitarbeiter an Universitäten nur halbe Stellen haben.

Die hohe Zahl der unfreiwilligen Teilzeitkräfte hat sich auch im Aufschwung nicht verringert. Die Arbeitgeber schufen zwar neue Teilzeitstellen, wandelten aber nur selten Teilzeitstellen in Vollzeitstellen um. Das DIW erklärt das unter anderem mit dem Trend zu Dienstleistungen, wo traditionell mehr Teilzeit gearbeitet wird.

Weitere mögliche Erklärungen könnten das Bestreben der Unternehmen nach Flexibilisierung sein. Statt sich zu überlegen, wie man den Briefträger nach dem Austragen in anderen Funktionen beschäftigt, stellt man ihn lieber gleich nur noch in Teilzeit ein. Und für ein Unternehmen ist es meistens einfacher, bei Einsparungen vier Vollzeitstellen in Halbtagesstellen umzuwandeln als zwei volle Stellen zu streichen.

Eine ganze andere Erklärung liegt aber noch auf der Hand: Mehr Menschen arbeiten unfreiwillig Teilzeit, weil immer mehr Menschen freiwillig Teilzeit arbeiten. Reduziert ein Arbeitnehmer seine Arbeitszeit auf die Hälfte, bleibt eine halbe Stelle übrig. Theoretisch ließen sich sicher in großen Unternehmen als Ersatz mehrere Vollzeitkräfte einstellen. Weil aber meist jede Abteilung ihre Mitarbeiter selbst bestimmt, werden vor allem Teilzeitkräfte eingestellt.

Belege für diese Theorie habe ich leider nicht gefunden. Helfen könnte vermutlich nur eine Arbeitgeberbefragung.

2 thoughts on “Warum Menschen Teilzeit arbeiten”
  1. Ach ja: ich hab eine IAB Studie entdeckt, aus der hervorging (exemplarisch für Slesvig-Holstein), dass von 2002 bis 2008 jeder 5. sv-pflichtige Arbeitsplatz für Ungelernte entfallen ist und jeder 11. Arbeitsplatz sv-pflichtig bei Ausbildungsberufen. Nur bei Berufen für Hochqualifizierte gab es einen leichten Stellenzuwachs svpflichtiger Arbeitsstellen.

    ist euch eine entsprechende Entwicklung bekannt? Kann man diesen Trend auch bundesweit und auch über 2008 hinaus weiterhin feststellen?

    Das würde mich mal interessieren, denn das würde ja bedeuten, dass A. entweder Ausbildungen massiv aus der sv-Pflicht herausgekickt und Prekarisiert werden oder/und

    B. das man viele höher qualifizieren müsste, da in diesem Bereich (Meister, Fachwirt, Akademiker, Techniker) allein ein Stellenaufbau stattfindet.

    könnt ihr dem mal auf dem Grund gehen?

    mich interessiert, ob das Ausbildungssystem überhaupt zum Arbeitsmarkt passt.

  2. Ich hab langeweile und kommentier mal:

    Ich arbeite Teilzeit aus gesundheitlichen Gründen UND weil ich mich weiterbilde. Teilzeitarbeit gefällt mir aber so gut, dass ich auch nach den Bildungsmaßnahmen dabei bleiben möchte! Ich arbeite also freiwillig Teilzeit, bin aber aus gesundheitlichen Gründen auch nicht in der Lage für Vollzeit.

    Ich hab Depressionen bekommen, weil die Qualität der Arbeit so mies war, deshalb bin ich auch in einer Bildungsmaßnahme, weil ich nachher was sinnvolleres, interessanteres und besser bezahltes machen möchte.

    Diese rein subjektive Sicht auf die Vorteile der Teilzeitarbeit muss ich aber noch ergänzen:

    wie soll bei einem sinkenden Arbeitsvolumen in Folge von Rationalisierung, Automation und Produktivitätssteigerungen bei gleichzeitiger Erhöhung des Arbeitskräftepotentials (mehr Frauen sollen mitarbeiten, zusätzliche Migration) überhaupt noch genug Vollzeitstellen für alle vorhanden sein??

    bei uns werden im Bereich IT gerade Prozessinnovationen durchgeführt mit dem dezidierten Zweck der Stellen- und kostenreduktion. Bei Banken findet in DE gerade ähnliches statt. Es verschwinden dadurch sv-pflichtige Stellen insb. im intermediären DL-Bereich. Ich glaub nicht, dass im selben Ausmaß anderswo Stellen entstehen.

    auch beim demographischen „Wandel“ muss man bedenken, dass UN einfach nur schneller rationalisieren und automatisieren würden, falls mal ein „Mangel“ an Fachkräften auftreten sollte. In Dänemark geht der erste Supermarkt an den Start, der komplett ohne Kassierer auskommt. Langfristig wird so Personal gespart.

    Ich will nicht sagen, dass uns die Arbeit ausgeht, aber Vollzeit für alle ist einfach nur utopisch. Sinnvoller wäre es Arbeit umzuverteilen und Arbeitszeiten zu senken.

    die momentane Situation, dass manche zuviel arbeiten und Überstunden schieben und andere nur arbeitslos sind, kann ja auch nicht richtig sein. Hier käme übrigens das Bildungs/Weiterbildungssystem in Frage, aber in diesem Bereich investiert DE viel weniger als Dänemark.

    Ich bin auf jeden Fall froh, dass ich nur Teilzeit arbeite und voll flexibel arbeiten kann. Ich kann mir auch nichts anderes mehr für mich vorstellen. Jetzt sollte man nur noch wie in Holland z.B. das Rentensystem endlich von Vollzeitwang entkoppeln. Das wär die angemessene Reaktion.

    wir haben wohl eher Unterbeschäftigung als Fachkräftemangel in den meisten Berufen und Gegenden.

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