Das Statistische Bundesamt beglückt uns regelmäßig mit einer Vielzahl von interessanten und meistens auch fundierten Statistiken. Was die Wiesbadener aber zu dieser Schlagzeile trieb, bleibt fraglich:

Jedes vierte minderjährige Kind ist ein Einzelkind

Dieser Satz ist zwar richtig, aber hochgradig missverständlich. Tatsächlich lebten 2009 rund 25 Prozent der 13,3 Millionen minderjährigen Kinder in Deutschland ohne Geschwister in einem Haushalt. Knapp die Hälfte der minderjährigen Kinder (47 Prozent) wuchs mit einem weiteren Geschwisterkind im Haushalt auf. Nur 28 Prozent hatten zwei oder mehr Geschwister. Das zeigen die aktuellen Ergebnisse des Mikrozensus.

Das heißt aber keineswegs, dass jedes vierte Kind als Einzelkind aufwächst. Von den 25 Prozent wird eine ganze Reihe früher oder später ein Geschwisterchen bekommen. Wie viel Prozent der aktuellen Kinder als Einzelkinder aufwachsen werden, weiß man erst, wenn die Eltern keine Kinder mehr bekommen können. Genau genommen sogar noch später, denn auch Adoptivkinder werden hier mitgerechnet.

Während große Teile des Beitrags missverständlich sind, ist auch ein Satz richtiggehend falsch. „44% der ostdeutschen Minderjährigen (Westdeutschland: 48 %) wurden mit einem Geschwisterkind und 21% (Westdeutschland: 29%) mit zwei oder mehr Geschwistern groß.“ Nein, wir wissen noch gar nicht mit wie viel Geschwistern sie groß wurden. Dazu müssten sie jetzt erwachsen sein.

Auch die Nachricht, dass Großstadtkinder häufiger Einzelkinder sind (29 Prozent) als Dorfkinder (23 Prozent in Orten unter 5.000 Einwohner) ist vor diesem Hintergrund wenig informativ. Haben Eltern in der Stadt einfach öfter nur ein Kind oder bekommen sie ihr erstes Kind in der Stadt und ziehen nach dessen Geburt in die Vororte?

Ganz uninteressant sind die Ergebnisse des Mikrozensus nicht. Das Verschwinden der Großfamilien ist offensichtlich. 1968 gab es noch 634.000 Familien mit vier oder mehr Kindern alleine in Westdeutschland. 2009 waren es in Gesamtdeutschland noch 184.000. Auffällig ist nicht nur der drastische Rückgang von Mitte der 1970er bis Mitte der 1980er Jahre, sondern auch der deutliche Rückgang seit Anfang des Jahretausends.

2 thoughts on “Einzelkind auf Zeit”
  1. Hallo Tobi, das meine ich mit „genau genommen sogar noch später“. Leibliche Geschwister können ja irgendwann nicht mehr kommen, aber Adoptivgeschwister schon. Daher kann meine eine Aussage über den Anteil der Kinder, die als Einzelkinder aufwachsen erst treffen, wenn die Alterskohorte 18 ist.

  2. Hmm, heißt das nicht, dass 25% _18 Jahre_ alt werden, ohne ein Geschwister? Daher sollte nicht die Zeugungsfähigkeit der Eltern ausschlaggeben sein.

    Bei der Sache mit dem aufs Land ziehen hast Du natürlich vollkommen recht!

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