Wie bereits vor Weihnachten angekündigt, habe ich mich bei der OECD nach den genauen Ergebnissen einer Studie zur Entwicklung der sozialen Ungleichheit erkundigt. Leider fielen damals die Medienberichte sehr unterschiedlich aus. Im Deutschlandfunk war zu hören, Hartz IV habe die Ungleichheit nach Ansicht der OECD verstärkt, in anderen wurde das Gegenteil behauptet – ebenfalls mit Verweis auf die OECD.
Ich habe daher an die Organisation drei Fragen geschickt:
1. Haben die Arbeitsmarktreformen der Regierung Schröder nach Meinung der OECD die Ungleichheit verstärkt?
2. Würde die OECD zur Rücknahme der Reformen raten?
3. Haben kürzere Arbeitszeiten und mehr schlecht bezahlte Jobs die Ungleichheit verstärkt? Oder handelt es sich vor allem um zusätzliche Stellen für Menschen, die vorher arbeitslos oder nicht erwerbstätig waren.
Tatsächlich hat man sich bei der OECD die Mühe gemacht und die Fragen beantwortet. Allerdings bin ich erst jetzt dazu gekommen, die Antworten zusammenzufassen.
Zu den Fragen 1 und 2 schreibt Michael Förster, man solle die Frage nach den Effekten der Arbeitsmarktentwicklung von den Hartz-Reformen trennen, da die Zunahme der sozialen Ungleichheit schon lange vorher begonnen habe.
Tatsächlich ist demnach die Entwicklung nicht neu. Vielmehr ist ein großer Teil der Entwicklung bereits zwischen 1995 und 2000 abgelaufen. Damals stieg die Zahl der Teilzeitstellen ebenso wie der Niedriglohnjobs und der befristeten Verträge drastisch an.
Interessant ist in dem Zusammenhang eine weitere Erkenntnis der OECD. Die Verkürzung der Arbeitszeit erfolgte fast ausschließlich im Niedriglohnbereich. Während gut bezahlte Arbeitskräfte heute nicht weniger arbeiten als vor 15 Jahren, hat sich in der Zeit die Arbeitszeit der schlecht bezahlten Arbeitskräfte weiter verkürzt. Das hat zur Folge, dass sich der Gini-Koeffizient als Maß der Ungleichheit für Vollzeitarbeitskräfte um drei Punkte erhöhte, der für alle Arbeitskräfte dagegen um sechs Punkte, was einen Anstieg um rund ein Fünftel bedeutet (siehe Kommentar).
Die letzte meiner Fragen wurde etwas ausführlicher beantwortet, deshalb gibt es dazu in Kürze einen eigenen Eintrag.
[…] jammert ja gerne in Deutschland. Ja, die Arbeitslosigkeit ist gesunken, aber die Zahl der Niedriglohnbeschäftigten ist gestiegen und der Stress auch und sowieso wird alles immer […]
http://www.ihk-schleswig-holstein.de/linkableblob/738404/.3./data/Studie_IAB_2010_Auswirkungen_Arbeitsmarkt_SH-data.pdf;jsessionid=3F9608EAB964BEB2017F25C11535B7C8.repl2
Während gut bezahlte Arbeitskräfte heute nicht weniger arbeiten als vor 15 Jahren, hat sich in der Zeit die Arbeitszeit der schlecht bezahlten Arbeitskräfte weiter verkürzt
Das Bezieht sich in etwa auf meine Frage von vorhin:
inwiefern trifft es auch auf den Zeitraum nach 2008 zu, dass sv-pflichtige Stellen für Ausbildungsberufe und Ungelernte weiterhin entfallen und eher Stellen im höher qualifizierten Segment entstehen.
Dann haben wir es nämlich mit Problemen zu tun, dass im Ausbildungsmarkt falsch ausgebildet wird. Dann muss man höher qualifizieren und mehr weiterbilden.
in vielen Bereichen wird über Bedarf ausgebildet und diese haben dann oft schlechtere Chancen mit ihrem Beruf adäquat beschäftigt zu werden. So war das zu meiner Zeit schon. Solche Statistiken interessieren mich.
wieviele Jugendliche werden direkt nach Ausbildung arbeitslos, brauchen ne weitere Ausbildung und ähnliches.
und die Verkürzung bei Ausbildungsberufen geht sicherlich v.a. auf Sektoren wie Handel, wo man immer mehr Kassiererinnen durch Minijobs verdrängt.
[…] zum OECD-Bericht zur steigenden Einkommensungleichheit in Deutschland (ältere Berichte hier und hier sowie ein Kommentar zum Thema Minijobs hier) […]