Am vergangenen Mittwoch hatte ich meine erste Statistik-Veranstaltung an der Evangelischen Hochschule Nürnberg. Irgendwann meldete sich einer der Studenten und fragte: „Sind denn alle Statistiker käuflich?“ Was hatte ich gemacht?

Um zuerst die Frage zu beantworten: Nein, die meisten Statistiker die ich kennen gelernt habe, haben einen Berufsethos, wie es ihn in nur noch wenigen Berufen gibt. Allerdings fand ich es wichtig, den Studierenden ein paar Grundregeln mitzugeben. Die habe ich entsprechend mit Beispielen untermalt.  So finden rund 60 Prozent der Deutschen, die Steuern sollten angesichts der Wirtschaftskrise (die Erhebung wurde 2008 durchgeführt) gesenkt werden, aber im gleichen Jahr sagten nur 30 Prozent, dass trotz des riesigen Schuldenberges die Steuern gesenkt werden sollten.

Der Fall, der den jungen Studenten so deprimiert an der Ehrlichkeit von Statistikern zweifeln ließ, war übrigens von Journalisten und nicht von Statistikern verbrochen. Für einen Artikel über Kinderarmut hatte man dort eine Zeitreihe über Kinder im Sozialhilfebezug abgebildet. Von 2000 bis 2004 wurden Daten der klassischen Sozialhilfe (nach dem BSHG) verwendet, ab 2005 SGB II-Daten („Hartz IV“). Wer sich mit dem Thema beschäftigt weiß, dass man auf diese Art einen riesigen Zuwachs bekommt. Denn vor 2005 gab es neben der Sozial- noch die Arbeitslosenhilfe. Dort wurden Kinder aber nicht erfasst. Der freien Journalistin war das auch entsprechend peinlich. „Mein Chefredakteur will das so“.

Was ich dem Studenten gesagt habe? Dass man bei einer schlechten Statistik immerhin die Chance hat zu erkennen, dass hier Mist gebaut wurde. Die „anekdotische Evidenz“ kann man dagegen nicht überprüfen. Wenn ich sage: Die Lebenserwartung sinkt, weil mein Opa noch 83 Jahre alt wurde, mein Onkel Heinz aber schon mit 45 gestorben ist, wer will das kontrollieren? Ich sage es Ihnen jetzt: Ich habe gar keinen Onkel Heinz.

Deshalb bleibe ich dabei: Man kann mit Statistiken Leute hinters Licht führen, aber noch viel leichter ohne.