Trotz aller Schwächen: Das DIW hat ein wichtiges Thema angeschnitten. Kommt der Fachkräftemangel wirklich und vor allem: dürfen wir uns zurücklehnen, weil ohnehin bald Vollbeschäftigung herrscht?

Zum einen muss man feststellen: der aktuelle Fachkräftemangel hat nicht nur mit dem zu geringen Angebot an Ingenieuren, Ärzten und anderen Fachkräften zu tun, sondern auch mit den Ansprüchen der Unternehmer. Die DIW-Analyse zeigt, dass es teilweise noch ausreichend Bewerber gäbe, aber die entsprechen nicht den Anforderungen der Firmen. Sie sind zu krank, zu alt oder Frauen.

Und trotz Rechenfehler des DIW: die Zahl der Ingenieursstudenten hat sich deutlich erhöht. Möglicherweise sind die rosigen Zeiten für die Absolventen bald vorbei. Im schlimmsten Fall erleben wir einen klassischen Schweinezyklus. Diese Frage hätte es verdient, dass man ihr etwas fundierter nachgeht als das DIW das getan hat.

Vor allem aber werden wir allein durch den demographischen Wandel sicher keine Vollbeschäftigung bekommen. Der Streit um den Fachkräftemangel zeigt, dass Unternehmen teilweise lieber niemanden einstellen als Bewerber, die ihren Anforderungen nicht genügen. Eine mittelfristige Perspektive ist deshalb (ceteris paribus) bestenfalls Fachkräftemangel bei gleichzeitiger Massenarbeitslosigkeit. Und selbst das ist nicht gewährleistet. Denn die Unternehmen werden sich anpassen. Sie werden Arbeitsplätze für Fachkräfte wegrationalisieren oder ins Ausland verlagern. Oder schlicht die Preise erhöhen. Was macht es schon, wenn ein Teil der Kunden deshalb abwandert, wenn man wegen fehlender Fachkräfte ohnhin nicht alle Aufträge abarbeiten kann? Besser als beim DIW kann man das hier nachlesen (PDF).

2 thoughts on “DIW-Analyse: Trotz vieler Schwächen lesenswert”
  1. Deutsche Unternehmen und Behörden legen zu viel Wert auf Passgenauigkeit. Man darf kulturelle Effekte nicht unterschätzen. DE ist für mich die Kultur der Passgenauigkeit.

    ich weiß nicht, wie man das anders nennen soll. In angelsächsischen Ländern ist die Kultur gegenüber Quereinsteigern viel offener.

    die Stellenausschreibungen dort sind oft offener formuliert, so dass sich erstmal viel mehr Interessenten bewerben können. Z.B. wird dann nur erwähnt, worum es geht und alle mit NaWi-Studium dürfen sich erstmal bewerben.

    Die Stellenausschreibungen sind in DE viel spezifischer auf eine einzige Tätigkeit zugeschnitten. Und derjenige muss wie in eine Schablone hineinpassen.

    Das ist auch die Kultur hier bei den Ausbildungsberufen, wo man „passgenau“ für einen Betrieb ausgebildet wird.

    Kultur lässt sich aber nicht ändern. Mir gefällt das offene System besser.

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