Reiche Rentnerin
KI-generiertes Symbolbild

21,7 Prozent der Wahlberechtigten sind älter als 70 Jahre, weitere 17,1 Prozent älter als 60. Noch einmal 19,3 Prozent sind über 50, damit sind fast 60 Prozent in Rente oder nähern sich zumindest dem Rentenalter. Kein Wunder, dass die Rente bei fast allen Parteien das große Thema ist. Egal ob SPD, CSU, Linkspartei, AfD oder BSW, alle suggerieren, die Rente sei zu niedrig und müsse unbedingt höher ausfallen. Dabei hat jüngst sogar die katholische Tagespost darauf hingewiesen, dass es nicht gerecht ist, einen immer höheren Anteil des Einkommens an Ältere umzuverteilen – denn Kranke, Schwache und Arme werden meistens nicht alt und profitieren davon kaum.

Schon vor mehr als zehn Jahren habe ich über eine Schlagzeile der BILD-Zeitung geschrieben, nach der angeblich „Jeder zweite Rentner […] weniger als Hartz IV [bekommt].“ Das waren damals weniger als 700,00 Euro. Die Schlagzeile stimmte, allerdings verschwieg die Zeitung, dass in die Statistik auch Menschen eingingen, die nur wenige Jahre in die Versicherung eingezahlt hatten und ihre Alterssicherung vor allem aus Pensionen oder Privatrenten bezogen. Wer als ehemaliger Selbständiger nur 400 Euro Rente erhält, aber 2.000 Euro aus einer Rürup-Rente, bekommt zweifellos weniger (gesetzliche) Rente als den damaligen Hartz-IV-Satz, aber ist sicher nicht arm.

Wie arm sind Rentner wirklich?

Tatsächlich gibt es armutsgefährdete Rentner. Das sind alle, die als Alleinstehende weniger als rund 1300 Euro monatlich zur Verfügung haben (die jüngsten Daten sind von 2023). Der Normalfall sind solche niedrigen Renten nicht und schon gar nicht bei Menschen, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben. Vor allem Menschen ohne Ausbildung müssen im Alter Grundsicherungsleistungen beziehen, für alle anderen Bevölkerungsgruppen liegt die Grundsicherungsquote im Alter bei maximal 2,0 Prozent. Insgesamt ergibt sich eine Quote von 2,9 Prozent und damit deutlich weniger als die Grundsicherungsquote für Erwerbsfähige von 3,7 Prozent.

Natürlich sind solche Zahlen auch davon abhängig, wie viele Menschen ihr Recht auf eine Sozialleistung wahrnehmen. In der Vergangenheit wurde oft argumentiert, die Kriegs- und Vorkriegsgenerationen würden ihnen zustehende Leistungen aus Scham nicht beantragen. Allerdings sind die heutigen Rentner die damals jungen Menschen. Eher schon dürfte ein Grund für die niedrige Quote im Vermögen liegen. Einige Rentner haben vermutlich ein Einkommen, mit dem sie Anspruch auf Sozialhilfe hätten, aber zu viel Vermögen.

Alterssicherungsbericht findet kaum Beachtung

Die Parteien wollen aber keineswegs nur die Mini-Renten erhöhen. Alle sollen mehr bekommen. Und tatsächlich sind viele alte Menschen der Meinung, sie würden nicht erhalten, was ihnen zusteht. Das wirft zunächst die Frage auf, wie viel Geld bekommt der Durchschnittsrentner überhaupt? Hier hilft der Alterssicherungsbericht der Bundesregierung, der alle vier Jahre veröffentlicht wird, zuletzt im vergangenen Jahr.

Etwas schockiert hat mich der Umstand, dass rund 21 Millionen Menschen eine Rente bezogen und etwa 37 Millionen in die Rentenversicherung einzahlen. Das Verhältnis wird sich weiter verschlechtern und ich bin etwas entsetzen, dass weder CSU noch Linkspartei oder SPD auffällt, was das für die Erwerbstätigen bedeuten würde, wenn jeder Arbeitnehmer einen Rentner finanzieren muss deren Rente weiter steigen soll.

Leider hat der Alterssicherungsbericht nur wenig Beachtung in der Öffentlichkeit gefunden. Vielleicht auch, weil die Zahlen sich nicht für Alarmismus eignen.

Wie viel Geld hat der Durchschnittsrentner?

Da ist zunächst die gesetzliche Rente. 90 Prozent der über 65-Jährigen beziehen diese Leistung. Die übrigen zehn Prozent sind vor allem Beamte oder ehemalige Selbständige, die ausschließlich eine Pension oder eine Privatrente erhalten.

Die meisten Menschen bekommen ohnehin Geld aus verschiedenen Sicherungssystemen. Nur 39 Prozent haben die gesetzliche Rente als einzige Einkommensquelle. Außerdem erhalten 15 Prozent der Frauen und vier Prozent der Männer neben der eigenen auch noch eine Witwenrente (Doppelbezug).

Nimmt man alle Renten zusammen, ist die finanzielle Situation des Durchschnitts-Senioren durchaus gut. Das muss sogar der Alterssicherungsbericht einräumen. Ein Paar erhält durchschnittlich 3.759 Euro netto. Ein erwerbstätiges Paar müsste etwa 6.500 Euro brutto verdienen, um ein ähnliches Nettoeinkommen zu haben. Vor allem Paare mit Kindern, bei denen ein Partner ganz oder teilweise daheimbleibt, verdienen oft weniger – und haben mehr Kosten, da auch noch Kinder versorgt werden müssen, wenngleich die Steuerbelastung dann sinkt. Alleinstehende erhalten immer noch durchschnittlich rund 2.000 Euro.

Einkommensquellen

Dass das Einkommen von Älteren so überraschend hoch ist, liegt daran, dass die gesetzliche Rentenversicherung nur rund die Hälfte der Einnahmen ausmacht. Weitere 17 Prozent kommen aus anderen Alterssicherungssystemen. Daneben sind private Vorsorge und die betriebliche Altersvorsorge wichtige Standbeine.

Immerhin 13 Prozent der Einkommen von Menschen ab 65 haben auch ein Erwerbseinkommen. Darin enthalten sind aber auch alle, die noch nicht in Rente gegangen sind. Immerhin lag das Renteneintrittsalter 2024 bei 66 Jahren.

Einkommen im Vergleich zum Durchschnittseinkommen

Nun ist das Durchschnittseinkommen oft nur mäßig spannend, weil wenige sehr hohe Einkommen es deutlich nach oben verschieben können. Spannender ist das Medianeinkommen, also das Einkommen des „Durchschnittsrentners“, der in der Einkommensverteilung genau in der Mitte liegt.

Leider habe ich das Median-Einkommen im Bericht nicht gefunden, aber immerhin die Aussage, dass im mittleren Fünftel das Einkommen bei durchschnittlich 3.392 Euro für Paare liegt, also auch nicht gerade niedrig.

Ja, es gibt auch Altersarmut

Natürlich gibt es ältere Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind. Es gibt sogar solche, die trotz 45 Erwerbsjahren Grundsicherung beziehen. Allerdings liegt die Grundsicherungsquote für diese Gruppe bei nur 1,0 Prozent. Bei den Menschen mit 40 bis unter 45-Jahren liegt die Grundsicherungsquote sogar nur bei 0,5 Prozent. Warum sie dort niedriger liegt? Weil Menschen mit niedrigem Rentenanspruch eher weiterarbeiten.

Fazit

Natürlich gibt es arme Rentner, so wie es auch arme Jugendliche und arme Erwachsene gibt. Dass Armut in Deutschland heute natürlich etwas ganz anderes bedeutet als noch vor 100 Jahren oder auch in einem anderen Land, steht auf einem anderen Blatt. Armut ist nämlich relativ definiert, je reicher ein Land wird, desto höher steigt die Armutsgrenze.

Falsch ist aber der Eindruck, dass Rentner mit wenig Geld auskommen müssen, denn die meisten haben zusätzlich zu ihrer Rente noch weitere Einkommen. Mehr als 3.700 Euro Nettoeinkommen hat ein Rentnerpaar im Durchschnitt, außerdem oft noch Vermögen und Wohneigentum.

Das gilt nicht nur für Selbständige und Führungskräfte, sondern auch für viele ehemalige Industriearbeiter oder öffentliche und kirchliche Angestellte, die von Betriebsrenten sowie Versorgungskassen wie der VBL profitieren.

Viele Rentner mit Mini-Renten unterhalb des Grundsicherungssatzes haben nur wenige Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt und sich dann beispielsweise selbständig gemacht. Wer tatsächlich sein ganzes Leben lang gearbeitet hat, erhält nur in 0,5 bis 1,0 Prozent der Fälle tatsächlich Grundsicherungsleistungen

Wenn die Parteien die Renten allgemein erhöhen wollen, dann vor allem, weil Rentner und rentennahe Personen (also alle ab 55) eine bedeutende Wählergruppe sind. Gerecht sind hohe Renten auch nicht unbedingt, denn wer früh stirbt profitiert davon nicht. Alt werden (und nicht jung sterben) ist eben keine Bürde, sondern eine Gnade.

16 thoughts on “Wie arm sind Rentner wirklich?”
  1. Jaja, die Bild – immer wieder für veränderte Statistiken gut 😉 Und zumeist zuuuufällig in eine solche Richtung, die der Bundesregierung ganz gut entspricht.
    Wär das nicht eine Idee für eine Statistik? Wie viele Pro-Regierungs- und Contra-Regierungsbeiträge seit 2009? Und der Einfluss dieser Beiträge auf Sonntagsfragen-Ergebnisse … Ach, ich seh schon: Das ist extreeem aufwändig 😉

  2. Hallo David, das erklärt dann auch, weshalb ich einen pensionierten Arzt kenne, der Geld aus der gesetzlichen Rentenversicherung bekommt. Den hatte ich nämlich vor Augen, als ich das Beispiel „Arzt“ gewählt hatte.

  3. @Fabian: Um korrekt zu sein: Jeder im Krankenhaus tätige Arzt hat die Möglichkeit in die Deutsche Rentenversicherung einzuzahlen. Aus der aktuellen Generation kenne ich keinen der es tut. Die Ärztin kann sich befreien lassen, wenn sie ins berufsständische Versorgungswerk einzahlt.
    Es gibt jetzt eine Neuregelung : bei jedem Vertragsschluss muss dann die fortgesetzte Beitragszahlung ins Versorgungswerk beantragt werden. Früher alt die einmalige Erklärung lebenslang.

  4. Besser, man liest sowas nur auf Bild.de. Da war der Artikel mit dem „Bild+“-Label gekennzeichnet.
    „Bild+“ ist klasse. Damit wird klar unterschieden zwischen echten Nachrichten, die weiterhin dort kostenfrei sind, und den Quatsch, den sich Bild dazu ausdenkt und dafür dann noch via „Bild+“-Abo Geld sehen will. Alles mit dem „Bild+“-Label kann man sich also ruhig sparen.

  5. Stimmt, bei BILD geht es um Gefühle. Deswegen sind die ja auch so erfolgreich. Und das Emotionale und Irrationale könnte einem streckenweise ja fast sympathisch sein, wenn es nicht so oft um Gefühle ginge, die uns Menschen nicht unbedingt auszeichnen: Angst vor dem oder den Fremden, Neid und Gier.

  6. Als ich gestern beim Bäcker um die Ecke vorbeil gelaufen bin, habe ich mal wieder den Bildtitel gesehen, die Augen verdreht und mich gefragt, ob wohl ein Artikel darüber beim Bildblog verlinkt wird… Tadah! 😉

  7. Nicht wichtig, aber wir wollen ja korrekt sein: auch der im KH arbeitende Arzt zahlt nicht in die Deutsche Rentenversicherung ein, sondern ins Berufsständische Versorgungswerk.

    Gruß,

    Fabian.

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