In Hameln verschwanden einst die Kinder. Schuld war kein Rattenfänger, sondern ein Werber, der die jungen Leute vermutlich ins heutige Brandenburg lockte. Vielleicht bilden sich um das Verschwinden v0n mehr als acht Prozent der Aachener einmal ähnliche Legenden, wenn Archäologen des Jahres 2513 auf alte Einwohnerstatistiken stoßen, das Wissen über den Zensus 2011 aber längst verloren gegangen ist.
Denn Aachen hat durch den Zensus rund 22.000 Einwohner verloren, das sind 8,4 Prozent der ehemaligen Bevölkerung. In Berlin waren es sogar rund 176.000 Menschen, das sind mehr als viele andere Großstädte Einwohner haben, auch wenn der prozentuale Rückgang mit 5,0 Prozent deutlich niedriger lag.
Insgesamt verloren die deutschen Großstädte 2,6 Prozent ihrer Einwohner, überwiegend Ausländer. Diese Verschiebungen haben einen einfachen Grund. Die Bevölkerungsstatistiken basieren nämlich auf den Daten der Einwohnerämter. Wenn sich ein Neubürger beim Umzug nicht ummeldet, ist die Bevölkerungszahl der alten Gemeinde zu hoch, die der neuen zu niedrig. Vor allem Studenten bleiben oft bei ihren Eltern gemeldet, womöglich mit ein Grund warum die Universitätsstadt Jena sogar um 0,6 Prozent wuchs.
Nun erklärt das aber nur Verschiebungen, nicht aber warum die Einwohnerzahl insgesamt zurückging – zumal nach dieser Theorie die Universitätsstädte profitiert haben müssten. Doch besonders hohe Bevölkerungsverluste haben Städte wie Aachen, Würzburg und Freiburg, die große Universitäten beherbergen.
Hier kommt ein zweiter Umstand ins Spiel. Denn wer innerhalb Deutschlands umzieht, meldet sich meistens früher oder später auch um. Die neue Gemeinde sorgt dann dafür, dass man am alten Wohnort abgemeldet wird. Das funktioniert aber nicht, wenn man ins Ausland zieht.
Deshalb sind vor allem Städte mit hohem Ausländeranteil wie Mannheim oder Offenburg betroffen – oder eben Orte mit bekannten Universitäten mit vielen ausländischen Studierenden wie beispielsweise die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule in Aachen. Dort halten sich viele Ausländer nur für kurze Zeit auf – beispielsweise für ein Auslandssemester. In der Statistik der Einwohnerämter bleiben sie aber stehen, sofern sie sich nicht abmelden. Hinzu kommen natürlich auch deutsche Studenten und Mitarbeiter, die ihrerseits ins Ausland gehen.
Aber natürlich gibt es auch Ausnahmen. Augsburg beispielsweise hat eine Universität mit immerhin rund 18.000 Studierenden und einen hohen Ausländeranteil, aber trotzdem mehr Einwohner. Hier haben andere Faktoren offenbar stärker gewirkt, womöglich hatten sich viele Neubürger nicht beim Einwohneramt gemeldet.
Besonders stark betroffen sind auch Siegen, Hildesheim, Salzgitter, Cottbus und Nürnberg. Die ersten vier haben nämlich ihren Status als Großstadt verloren, sie haben nach den neuen Daten weniger als 100.000 Einwohner. Nürnberg verliert den erst kürzlich stolz gefeierten Status als Halbmillionenstadt. Das ist umso ärgerlicher, als die gehasste Nachbarstadt Fürth sogar 323 Einwohner gewonnen hat.
Ich muss gestehen: Ein bisschen bringt mich das ganze schon zum Schmunzeln 😉 Berlin und Hamburg wollen nun sogar widersprechen (http://www.tagesschau.de/inland/zensus-finanzausgleich102.html). Aufgrund des Länderfinanzausgleichs hätte Berlin Einbußen zu bewältigen und Hamburg Mehrausgaben. Ob das funktionieren wird, gegen eine Volkszählung zu widersprechen? Na ja, Rheinland-Pfalz kann sich freuen: Es gibt bis zu 110 Millionen €/Jahr mehr 😉