Wahlen sind für Statistiker immer toll. Es gibt unheimlich viele Daten und manchmal hören einem die Leute sogar zu, wenn man darüber doziert. Für den Statistiker-Blog ist das natürlich eine zweischneidige Sache, denn auch die großen Medien bemühen ausführlich Wahlforscher, so dass für uns nicht mehr viel übrig bleibt. Trotzdem hier noch mal ein paar Fakten, die ich mir aus einer Excel-Tabelle herausgesucht habe.
Der Anstieg der Wahlbeteiligung ist vor allem den Ostdeutschen zu verdanken
In den westdeutschen Bundesländern stieg die Beteiligung von 72,2 auf 72,4 Prozent an, in den ostdeutschen (ohne Berlin) dagegen von 64,3 auf 67,2 Prozent. In Berlin wählten wie im Westen 72,4 Prozent, nachdem es 2009 nur 70,9 Prozent gewesen waren. Streng genommen hat Berlin den Westen bei der Wahlbeteiligung sogar überholt, nämlich mit etwas genauer 72,446 Prozent gegenüber 72,437 Prozent.
Auch beim Vergleich der Wahlkreise mit Hilfe der Standardabweichung stellt man fest: Die Wahlbeteiligung ist nicht nur gestiegen, die Unterschiede zwischen den Wahlkreisen sind auch kleiner geworden.
Linkspartei verliert im Westen
Die Linkspartei wird wieder ostdeutscher. Nachdem die Fusion mit der WASG den Genossen im Westen zunächst Schub gegeben hat, verlieren sie nun vor allem dort Wähler. Dort wählen 34,1 Prozent weniger Menschen die Linkspatei, im Osten nur 21,0 Prozent weniger, während das Wählerplus in Ost (+0,6) und West (+0,5) ähnlich war. Besonders gut kam die Partei in Berlin weg, dort sank die Zahl ihrer Wähler nur um 5,2 Prozent. Allerdings gab es dort auch insgesamt 3,6 Prozent mehr Wähler als vor vier Jahren,
Hessen zu doof zum wählen
Diese These ist natürlich bewusst provokativ. Vielmehr scheint es unterschiedliche Formen der Wahlverweigerung zu geben. In Sachsen-Anhalt gehört Nichtwählen bei einer Wahlbeteiligung von 62,0 Prozent (nach 60,5 Prozent vor vier Jahren) noch immer zum guten Ton. In Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland gibt es dagegen auffällig viele ungültige Stimmen. Den Rekord mit 3,3 ungültigen Zweitstimmen hält Schwalm-Eder, im nahe gelegenen Waldeck sind es bei den Erststimmen sogar 3,6 Prozent. Besonders wenig ungültig wird in Bayern gewählt, dafür ist die Wahlbeteiligung dort gegen den Trend gefallen und liegt sogar unter dem Bundesschnitt. Hohe Wahlbeteiligung und wenig ungültige Stimmen, das schafft natürlich nur das Musterländle Baden-Württemberg.
Ergebnisse für radikale Parteien und Nichtwähleranteil korrelieren
Wenig erstaunlich: Wo viele nicht wählen, wählen auch viele radikale Parteien wie die Linkspartei oder die NPD. Eine mögliche Begründung dafür ist, dass diese Parteien ihre Wähler eher mobilisieren. Das erscheint aber zumindest bei der Linkspartei (die natürlich nicht mit der NPD vergleichbar ist) fraglich, zumal in vielen Kreisen mit hohem Nichtwähleranteil auch der Anteil der Linkspartei an allen Wahlberechtigten hoch ist. Der stärkere Effekt dürfte also sein: In Problemzonen gibt es viel Frust, der sich teilweise in Stimmen für radikale Parteien oder Nichtwahl entlädt.
Viele Deutsche nicht im Bundestag vertreten
Trotz gestiegener Wahlbeteiligung: So viele Menschen wie schon lange nicht mehr haben keine der im Bundestag vertretenen Parteien gewählt. Zumindest wenn man mal von Minderjährigen absieht, die ja auch nicht wählen dürfen und deren Zahl kontinuierlich sinkt. Doch auch unter den Wahlberechtigten haben viele keinen Abgeordneten im Parlament. Zwar gibt es weniger Nichtwähler und etwas weniger ungültige Stimmen (1,3 statt 1,4 Prozent), dafür haben fast 15 Prozent eine Partei gewählt, die an der 5-Prozent-Hürde gescheitert ist.
Hallo,
zu einer Wahlanalyse würde auch eine Untersuchung auf statistisch relevante (=auf Manipulation hinweisende) Abweichungen gut passen. Etwa der Vergleich der absoluten Stimmergebnisse mit der Bendfordverteilung oder die relative Häufigkeit von Prozenten pro Partei und Wahllokal im Vergleich mit der Normalverteilung.
Ich empfehle insbesondere den Test der Hamburger Wahlergebnisse auf die Bendfordverteilung. Da kommt was interessantes raus…
Grüsse!