Von allen OECD-Ländern geben nur die US-Amerikaner einen geringen Anteil ihres Haushaltseinkommens für Lebensmittel aus als die Deutschen. Das scheint alle Vorurteile zu bestätigen, nach denen Deutsche nur für Autos, nicht aber fürs Essen auszugeben und die Amerikaner sowieso keine Ahnung von (Ess-)Kultur haben.
Ganz so einfach ist es aber nicht. Wer arm ist, will zuerst seinen Hunger stillen und gibt den größten Teil seines Geldes für Lebensmittel aus. Wird er reicher, steigen zwar auch die Ausgaben fürs Essen, aber natürlich nicht im gleichen Maße. Man sieht den Zusammenhang recht gut, wenn man den Anteil der Ausgaben für Lebensmittel am Haushaltseinkommens ins Verhältnis zum (kaufkraftgewichteten) Bruttosozialprodukt setzt. Nun kann man zwar kritisieren, dass ich hier das Bruttosozialprodukt verwendet habe und nicht das verfügbare Haushaltseinkommen, aber das waren die besten Daten, die ich finden konnte.
Kaufkraftbereinigt bedeutet, dass die unterschiedlichen Preisniveaus mit berücksichtigt wurden. Die Schweiz hat beispielsweise ein höheres Bruttosozialprodukt als die USA, allerdings auch höhere Preise, deshalb ist sie in unserer Übersicht ärmer als die USA.
Der Reichtum eines Landes und der Anteil des Haushaltseinkommens, der für Lebensmittel ausgegeben wird, hängen also zusammen. Aber natürlich erklärt das noch nicht alles. Deutschland ist mitnichten das zweitreichste OECD-Land (sondern eben die Schweiz, Deutschland steht nur auf Platz sieben der 22 untersuchten Länder). Das hat verschiedene Gründe:
Lebensmittelpreise
Die unterschiedlichen Lebensmittelpreise werden durch die Kaufpreisbereinigung zum Teil berücksichtigt, aber eben nur zum Teil. Denn bei der Kaufpreisbereinigung wird das gesamte Preisniveau betrachtet, nicht nur Lebensmittel. In Deutschland beispielsweise ist Energie relativ teuer, Lebensmittel aber sind billig. Das kann an der Mentalität liegen, aber beispielsweise auch am Konkurrenzkampf im Einzelhandel, der in Deutschland relativ stark ist.
Ungleichheit
Der niedrige Anteil der Lebensmittelausgaben in den USA kann auch an der Ungleichheit dort liegen. Die sorgt nämlich tendenziell für niedrigere Ausgaben im Lebensmittelbereich. Überspitzt gesagt: <a href="http://www.statistiker-blog.de/archives/alles-facebook-oder-was/1728.html“ title=“Alles Facebook oder was?“>Mark Zuckerberg und Larry Page haben so viel Geld, dass sie selbst als Gourmets davon nicht 20 Prozent für Lebensmittel ausgeben können, andere Amerikaner dagegen so wenig, dass sie nur billige Lebensmittel kaufen können.
Restaurantbesuche
Leider geht aus der Quelle nicht ganz hervor, was in die Berechnung eingeht. Nur die Ausgaben für Lebensmittel von Privatpersonen oder auch von Restaurants und Kantinen gekaufte Lebensmittel. In jedem Fall aber macht es einen Unterschied, ob Menschen daheim oder auswärts essen. Werden nur private Ausgaben für Lebensmittel betrachtet, geben Menschen, die in Kantinen oder Restaurants essen natürlich weniger aus. Werden die Einkäufe von Köchen mit berücksichtigt, kann das die Ausgaben treiben, weil dort mehr weggeschmissen wird – wobei ich für diese These keine empirischen Belege haben.
Mentalität
Aber natürlich spielt auch die Mentalität eine Rolle. Das die Deutschen so wenig Geld für Lebensmittel ausgeben, lässt sich nicht alleine aus dem überdurchschnittlichen Wohlstand erklären. Auch der Konkurrenzkampf im Einzelhandel reicht als Erklärung nicht aus. Vielleicht ist man hierzulande noch immer eher bereit viel Geld für ein Auto oder Haus auszugeben als für ein gutes Essen. Aber wirklich fundierte Aussagen alleine auf Basis dieser Daten sind sehr schwierig.