Auf eine ziemlich interessante Grafik bin ich vor kurzem auf den Seiten der Deutschen Bundesbank gestoßen. Es geht dort um den Leistungsbilanzüberschuss, also den Betrag, den Deutschland mehr einnimmt als ausgibt. Dieser Überschuss ist vor allem dem Exportüberschuss zu verdanken, bei der Dienstleistungsbilanz macht Deutschland dagegen eher Defizite, beispielsweise weil deutsche Touristen im Ausland mehr Geld ausgeben als Ausländer in Deutschland.
Der Überschuss ist das Thema zahlreicher Diskussionen. Wir reden hier wohlgemerkt nicht von der Bundesrepublik Deutschland als staatliche Institution, sondern vom gesamten Land, also öffentlichen und privaten Akteuren gleichermaßen. Schließlich haben die öffentlichen Einrichtungen in den vergangenen Jahrzehnten fast durchgängig Defizite gemacht, doch die deutschen Unternehmer und Sparer haben weit mehr Geld zurückgelegt als sich geliehen.
Viele Deutsche sind stolz auf dieses Plus. Kritiker dagegen befürchten weltweite Ungleichgewichte, weil Deutschland mehr Geld einnimmt als es ausgibt. Dem widersprechen wiederum andere Kommentatoren, die Überschüsse in einem alternden Land fast für zwingend halten. Denn theoretisch sollte das Geld in Länder mit junger Bevölkerung fließen um dort neue Unternehmen aufzubauen und Arbeitsplätze für die steigende Zahl von Menschen zu schaffen. Deutschland stellt dieses Geld zur Verfügung und erhält dafür später Zinsen und Dividenden, aus denen die steigende Zahl alter Menschen dann finanziert werden kann.
So weit die Theorie. Doch interessant ist ein Blick auf die Daten. Denn bis 2001 hat Deutschland fast durchgängig mehr Geld ausgegeben als eingenommen. 2001 halbiert sich das Defizit in den Statistiken der Bundesbank dann zunächst. Das hat einen einfachen Grund: Seitdem werden die Werte in Euro angegeben, vorher in DM. Durch den Wechselkurs von ungefähr 1:2 liegt das Defizit ab 2001 also niedriger. In der Grafik habe ich alle Daten in Euro umgerechnet, da gibt es diesen Einbruch daher nicht.
Das eigentlich interessante passiert aber im Anschluss, denn das Defizit verwandelt sich bis zum dritten Quartal in ein Plus. Nun gibt es verschiedene Gründe für diesen Wandel. Beispielsweise die hohen Lohnabschlüsse in den 1980er und 1990er Jahren und den folgenden Lohnverzicht, der die Industrie wettbewerbsfähiger gemacht hat. Oder der hohe Kapitalbedarf in den 1990ern in Folge der deutschen Einheit.
Da Euro-Einführung und die starke Zunahme des Leistungsbilanzüberschusses so dicht beieinander liegen drängt sich aber der Verdacht auf, dass beide stark miteinander zu tun haben. Denn zuvor hatte die Stärke der D-Mark die Währung belastet. Ein Exporteur, der Badewannen nach Frankreich verkaufte, musste die eingenommenen Franc in DM wechseln, weil das viele wollten stieg der DM-Kurs. Hinzu kamen Investoren, die ihr Geld in der stabilen Mark parken wollten. Deshalb stieg die DM und macht der Industrie das Leben schwer.
Seit Einführung des Euro sind diese Effekte weggefallen oder schwächer geworden. Vieles spricht dafür, dass der Leistungsbilanzüberschuss zum großen Teil dem Euro zu verdanken ist – im Guten wie im Schlechten.