Haben Sie vielleicht zu Weihnachten auch ein paar Bücher geschenkt bekommen? Mir wurde unter anderem “Mit an Wahrscheinlichkeit grenzender Sicherheit” unter den Weihnachtsbaum gelegt. Das Buch ist eine interessante und unterhaltsame Lektüre für alle, die Spaß an logischem Denken haben. Eine Reihe von Geschichten aus diesem Buch über Logik und Zufall werden Statistik-Interessierten allerdings sehr bekannt vorgekommen. Sie kommen in jedem zweiten Buch aus diesem Themenkreis vor, beispielsweise das Braess-Paraxon oder das Ziegenproblem. Eine interessante Abwandlung des Ziegenproblems findet sich allerdings in dem Kapitel „Ein Hotel mit fast drei Aufzügen“:
Sie stehen in einem Hotel, in dem es drei Aufzüge gibt. Einer ist kaputt, sie wissen aber nicht welcher. Weil die Aufzüge zu weit auseinander sind, können Sie nicht schnell zum ersten ankommenden Aufzug laufen. Sie müssen sich entscheiden. Sie stehen also vor einem der drei Lifte und hören einen zweiten davon fahren. Dieser ist also nicht kaputt. Aber weil Ihr Hotel 100 Stockwerke hat und der funktionerende Aufzug auf dem Weg dorthin dauernd hält, wollen Sie nicht auf dessen Rückkehr warten. Sie wissen aber immer noch nicht, welcher defekt ist. Lohnt es sich, den Standort zu wechseln, ist es besser zu bleiben oder ist es egal?

Weil es über das Ziegenproblem im engeren Sinne bereits ganze Bücher gibt, möchte ich die Fragestellung nur kurz anreisen, soweit sie für das Verstehen des folgenden Problems nötig ist. Es handelt sich dabei um eine Entscheidung, vor der Kandidaten der US-Spielshow “Let’s make a deal” stehen. In Deutschland tauchte das Ziegenproblem von 1992 bis 2003 leicht verändert in der Sendung “Geh aufs Ganze!” auf, wo die Ziege allerdings der Zonk war.

Im Original sieht die Aufgabe so aus: Ein Kandidat steht vor drei verschlossenen Türen. Hinter einer ist der Gewinn versteckt, hinter zweien steht eine Ziege – die Niete. Nach der Wahl einer Tür durch den Kandidaten öffnet der Spielleiter ein der drei Türen und fragt den Kandidaten, ob er seine Wahl überdenken und zu der zweiten noch verschlossenen Tür wechseln will. Wichtig ist dabei, dass es zwei Bedingungen gibt:

1. Es wird niemals die Tür geöffnet, die der Kandidat gewählt hat.

2. Es wird immer nur eine Tür mit einer Ziege dahinter geöffnet.

Diese beiden Einschränkungen sind extrem wichtig, um die Lösung zu verstehen. Denn wie die meisten Statistiker-Blog-Leser wissen, erhöht der Kandidat seine Gewinnwahrscheinlichkeit von einem auf zwei Dritten, wenn er wechselt. Hat der Kandidat beispielsweise Tür A gewählt und der Spielleiter Tür B mit einer Ziege dahinter geöffnet, gewinnt der Spieler in zwei von drei Fällen wenn er sich für Tür C entscheidet. Unsere Intuition würde uns in den meisten Fällen dagegen sagen, dass bei zwei Türen die Chancen 50 zu 50 stehen.

Warum umgekehrt die Wahrscheinlichkeit für die letzte Tür bei 2/3 liegt, ist dagegen ganz einfach: Der Spielleiter hat uns einen Tipp gegeben. Er hätte die verbliebene Tür öffnen können (im Gegensatz zur zuerst von uns gewählten Tür – Bedingung 1), hat er aber nicht. Das kann Zufall sein – nämlich dann wenn der Gewinn hinter der gewählten Tür liegt. Bei drei Türen als in einem Drittel der Fälle. Es kann aber – wenn der Gewinn hinter einer der beiden nicht gewählten Türen liegt – auch daran liegen, dass die Türe einen Gewinn enthält und sich daher nach Bedingung 2 nicht öffnen durfte. Weil die meisten Leser das Beispiel kennen dürften, will ich es bei dieser kurzen Erläuterung belassen. Wer etwas mehr Infos möchte, dem habe ich ein paar Erklärungsansätze in einer Erläuterung zusammengestellt.

In jedem Fall haben wir gesehen, wir wichtig die Bedingungen 1 und 2 sind. Nun zu unserem Aufzugsproblem. Lohnt es sich vor dem gewählten Aufzug stehen zu bleiben, wenn man hört, dass einer der anderen beiden Lifte funktioniert, sollte man wechseln oder ist es egal?

Die richtige Antwort ist: Es lohnt sich zu bleiben, weil sich gerade eine wahnsinnig attraktive Frau neben Sie gestellt hat und Ihnen nach einem anstrengenden Tag ohnehin nicht danach ist, jetzt zum nächsten Aufzug zu gehen. Aber abgesehen davon? Die Autoren sagen: Es lohnt sich zu bleiben, weil ihr Aufzug mit einer Wahrscheinlichkeit von zwei Dritteln fährt, der dritte Aufzug aber nur in einem Drittel der Fälle.

Die Autoren sehen darin eine Umkehrung des Ziegenproblems. Ist es aber nicht und deswegen ist die Antwort falsch. Aufmerksamen Lesern ist es schon aufgefallen: Bedingung 1 ist nicht erfüllt. Es hätte genauso gut der von Ihnen gewählte Lift als erster kommen können. Ist er aber nicht. In einer Matrix sieht das so aus:

Kommt zuerst Zweiter Defekt
Aufzug 1 Aufzug 2 Aufzug 3
Aufzug 1 Aufzug 3 Aufzug 2
Aufzug 2 Aufzug 3 Aufzug 1
Aufzug 2 Aufzug 1 Aufzug 3
Aufzug 3 Aufzug 2 Aufzug 1
Aufzug 3 Aufzug 1 Aufzug 2

Wer sich die Mühe macht, die (gleich wahrscheinlichen) Optionen durchzuzählen wird feststellen, dass wir am Beginn tatsächlich in zwei von drei Fällen vor einem funktionierenden Aufzug stehen. Haben wir Tür 1 gewählt, haben wir nur im dritten und im fünften Fall Pech. Nun kommt aber zuerst Aufzug 2. Damit scheiden die beiden oberen und die beiden unteren Fälle aus. Es bleiben nur zwei wieder gleich wahrscheinliche Möglichkeiten und unsere Chance auf eine Fahrt im Aufzug mit der attraktiven Dame neben uns sind also fünfzig Prozent (Sie hat Ihnen gesagt, dass sie die Treppe nimmt, falls der Aufzug defekt ist).

Oder anders ausgedrückt: Insgesamt muss unsere Wahrscheinlichkeit für einen funktionierenden Lift 2/3 sein. Kommt unser Aufzug zuerst, haben wir nach dem ersten Durchgang zu fast 100 Prozent Glück (er kann natürlich noch plötzlich kaputt gehen). Bleiben jeweils 50 Prozent für die beiden anderen Möglichkeiten. Das gleiche gälte beim Ziegenproblem, wenn sich die von uns gewählte Tür öffnen könnte. Dann hätten wir in diesem Fall eine Gewinnwahrscheinlichkeit von 0 Prozent. Die Regeln dort sind aber anders.

5 thoughts on “Mit an Wahrscheinlichkeit grenzender Sicherheit falsch”
  1. ich glaub der selbe fehler ist im gefangenenproblem dieses buches
    da ein gefangner tatsälich bleibt und nicht als möglichkeit bleibt musste die daus ergebene chance 50 zu 50 sein.einleuchtender wird es bei 100 gefangenen von denen 98 wegfallen.richtig ist aber wohl das dargestellte ziegenrätsel mit 100 türen.

  2. Dass man weiß, welcher Aufzug fährt schließe ich daraus, dass es in dem Buch heißt: „Ist es jetzt besser, zu dem anderen Aufzug zu gehen?“. Andernfalls würde ich mich aber auch nicht – wie in dem Buch angegeben – in 2/3 der Fälle durch bleiben besser stellen.
    Bleibe ich, fährt mein Aufzug in 50 Prozent der Fällen. Der dritte Aufzug fährt dann nicht. In den anderen 50 Prozent habe ich Pech.
    Wechsele ich, stehe ich mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit vor dem davon gefahrenen Aufzug. In weiteren 50 Prozent erreiche ich den dritten Lift, der geht aber in wieder 50 Prozent der Fälle nicht. Also habe ich bei einem Wechsel in 75 Prozent der Fälle Pech. Oder anders ausgedrückt: In der Hälfte der denkbaren Konstellationen verliere ich durch einen Wechsel, in 25 Prozent gewinne ich und in 25 Prozent ist es egal, weil mein zuerst gewählter Aufzug kaputt und der zweit gewählte weg ist.
    Natürlich wäre es auch denkbar, dass der weggefahrene Aufzug trotzdem als erster wieder kommt. Aber dann wird es sehr komplex, denn man müsste darüber streiten, ob die Wahrscheinlichkeit, dass ein gerade davon gefahrener Aufzug innerhalb einer bestimmten Zeit wieder kommt genauso groß ist wie die, dass ein X-beliebiger Lift das tut.

  3. Hallo, die Darlegung finde ich durchaus überzeugend. Allerdings geht in meinen Augen aus dem Buch nicht eindeutig hervor, dass ich weiß welcher Aufzug fährt.

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