Da Großbritannien nun die Europäische Union verlassen will, habe ich diesmal eine Statistik über die andere europäische Union aufgenommen, nämlich die European Free Trade Association, kurz EFTA. Die EFTA ist im Prinzip das, was sich Brexit-Befürworter wünschen, ein Wirtschaftszusammenschluss ohne politische Ziele. Die EWG war dagegen bereits ab der Gründung 1951 auch ein politisches Projekt.
Von 1960 bis 1972 war das Vereinigte Königreich bereits einmal Mitglied der EFTA, es gehört sogar zu den Gründungsstaaten. 1960 waren sieben Länder Teil der EFTA, eines mehr als in der EWG, auch wenn letztere bereits damals mehr Einwohner hatte. Neben Großbritannien sind Dänemark, Portugal, Schweden, Norwegen, die Schweiz und Österreich Gründungsmitglieder der EFTA. 1961 kam Finnland als assoziierter Partner dazu, 1970 Island.
Doch 1973 wurden die Briten, für viele überraschend, Mitglied der EWG, auch Dänemark wechselte das Bündnis. 1986 ging auch Portugal, dafür wurde Finnland Vollmitglied. 1995 verließen die Finnen den Club bereits wieder in Richtung EG, ebenso die Gründungsmitglieder Österreich und Schweden. Zwar war 1991 Liechtenstein beigetreten, weil der Kleinststaat eine Zollunion mit der Schweiz hat wurde der Wirtschaftsraum dadurch aber nicht erweitert.
Der EFTA gehören aktuell noch vier Staaten an, man könnte auch sagen drei Zollgebiete: Norwegen, Island und Schweiz-Liechtenstein. Die EFTA bildet zusammen mit der EU den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), wobei die Schweiz ihre Kooperation mit der EU nicht über die EFTA, sondern über bilaterale Verträge abwickelt.
Wie sehr die EFTA an Bedeutung verloren hat sieht man aber weniger an der Zahl der Staaten, die jetzt bei vier statt anfänglich sieben liegt, sondern eher an der Zahl der vertretenen Bürger. Ich habe die aktuellen Einwohnerzahlen mal in die Vergangenheit und in die Zukunft fortgeschrieben. Die Grafik 2 zeigt also an, wie viel Einwohner die EFTA heute hätte, wären noch alle Länder die zu der jeweiligen Zeit Mitglied waren heute mit dabei. Der Wert für ein Jahr gibt also nicht an, wie viele Menschen damals in den EFTA-Staaten leben, sondern wie viele heute in den Ländern wohnen, die damals Mitglied der EFTA waren. So lässt sich besser verfolgen, welche Folgen die Ein- und Austritte haben, ohne dass sie vom Bevölkerungswachstum der einzelnen Länder überlagert werden.
Aktuell haben die Staaten der EFTA noch rund 13 Millionen Mitglieder. Wären noch alle Staaten mit dabei, die 1972 Mitglied oder assoziierter Partner waren, hätte die EFTA heute fast 120 Millionen Bewohner.
Würde das Vereinigte Königreich wieder Mitglied der EFTA werden, würde sich die Zahl der in EFTA-Staaten lebenden Menschen vervielfachen, denn mit rund 63 Millionen leben in Großbritannien und Nordirland mehr Menschen als in allen aktuellen EFTA-Staaten.
Ein Beitritt scheint aber bisher kein großes Thema zu sein. Wer im Internet danach sucht findet vor allem ausländische Seiten sowie ein paar dubiose Blogs. Auch beim EFTA-Ministertreffen in Bern war der Brexit zwar das vorherrschende Thema, allerdings will man dort erst einmal die Entwicklung abwarten.
Nicht nur wirtschaftlich kooperiert die EFTA mit der EU, beide sind auch Mitglieder des European Statistical System. Deshalb sitzen die EFTA-Statistiker auch in Luxemburg, obwohl das Land nie EFTA-Mitglied war. Bei den EFTA-Statistiken hat man fast den Eindruck, die Mitarbeiter haben Spaß daran, dass sie im direkten Vergleich mit der EU meist besser dastehen. Gerne vergleichen sie die EFTA-Staaten mit dem EU-Schnitt – und fast überall triumphieren die EFTA-Länder.
Das Bevölkerungswachstum liegt in allen vier Ländern über dem EU-Schnitt, auch wenn das zumindest in der Schweiz mittlerweile gar nicht mehr als Vorteil gesehen wird. Die Arbeitslosigkeit liegt immer deutlich unter dem EU-Schnitt und die Erwerbsquoten liegen sowohl für Frauen als auch Männer in allen vier Ländern höher. Einziger Minuspunkt: Der Unterschied bei den Erwerbsquoten zwischen Männern und Frauen ist in Liechtenstein höher als im EU-Schnitt. Das liegt aber vor allem an der hohen Erwerbsbeteiligung der Männer und nicht einer niedrigen der Frauen. 78,2 Prozent der Männer und 63,2 Prozent der Frauen sind erwerbstätig, gegenüber 70,1 und 59,6 Prozent in der EU. Weil der Unterschied zum EU-Schnitt bei den Männern größer ist als bei den Frauen, ist die Geschlechterdifferenz größer. Aber nur in Liechtenstein, in den drei anderen Ländern liegt sie unter dem EU-Schnitt, in Norwegen und Island sind es 3,6 beziehungsweise 4,7 Prozentpunkte gegenüber 10,5 im EU-Schnitt.
Auch die Lebenserwartung ist höher und zwar in allen vier Ländern sowohl für Männer als auch für Frauen (Lebenserwartung bei Geburt für 2013). Und hier ist der Geschlechterunterschied in jedem Land geringer, alle vier Länder schlagen also in allen drei Kategorien die EU. Frauen werden in der Schweiz im Schnitt 85,0 Jahre alt gegenüber durchschnittlich 83,3 Jahren in der EU. Männer leben ebenfalls in der Schweiz besonders lang, nämlich 80,7 Jahre gegenüber 77,8 in der EU. Während in der EU Frauen also 5,5 Jahre länger leben als Männer, sind es in der Schweiz nur 4,3, in Norwegen nur 4,0 und in Island und Liechtenstein sogar nur 3,2 Jahre.
Sollte Deutschland also Mitglied der EFTA werden? Nein, eine Kausalität sollte man hier nicht suchen. Zumal sich viele Daten vermutlich bald deutlich verschlechtern könnten, falls das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland EFTA-Mitglied wird. Aufgrund von dessen Größe wird es nämlich den EFTA-Mittelwert prägen. Die 37.000 Liechtensteiner dürften dem wenig entgegenhalten können.
Der Hauptgrund für die bessere Statistik der EFTA dürfte darin liegen, dass es sich ausschließlich um mittel- und nordeuropäische Länder handelt. Diesen statistischen Unterscheid dürfte man auch bemerken, wenn man die EU im Nord-Süd-Gefälle vergleicht.