Ich liebte den Bioladen in meiner Heimatstadt. Viele Produkte wurden noch aus großen Säcken verkauft, es roch überall nach interessanten Gewürzen und die Schulhefte (auch die gab es dort) waren nicht langweilig weiß, sondern hatten auf dem dunklen Papier immer noch Farbeinsprengsel der recycelten Papiere. Außerdem gab einem der Einkauf das Gefühl ein besserer Mensch zu sein, zumal damals nur wenige Menschen „bio“ einkauften.

Infografik: Deutsche geben mehr für Bio-Lebensmittel aus | Statista

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Mittlerweile führen auch Aldi, Rewe und Norma Bioprodukte und es gibt große Biosupermärkte. Der Flair ist weg, mit dem Wunsche ein besserer Mensch zu sein werben die Biosupermärkte aber immer noch, mittlerweile sogar ganz offensiv mit dem Slogan „Sei Teil einer besseren Welt“. Aber ist man das?

Kritik an Bio

Jetzt, auf dem Höhepunkt des Erfolgs, liest man aber immer wieder, biologisch angebaute Lebensmittel seien nicht der Weisheit letzter Schluss. Die Kritik, die an Bioprodukten vorgebracht wird, bezieht sich meistens auf einen der folgenden Punkte:

  • Auch Biobetriebe verwenden Spritzmittel. Diese sind zwar nicht synthetisch, teilweise aber sogar schädlicher.
  • Die Ablehnung von Gentechnik erschwert den Kampf gegen Mangelernährung, da beispielsweise der Vitamin-A-haltige „Goldene Reis“ nicht angebaut werden darf.
  • Der Verzicht auf synthetische Spritzmittel erleichtert die Ausbreitung von Schimmel oder Bakterien wie EHEC.
  • Der Flächenverbrauch liegt deutlich höher.

Zu den ersten drei Punkten kann ich wenig sagen, da ich kein Biologe bin. Der vierte Punkt aber lässt sich relativ gut messen und ist damit ein Thema für den Statistiker-Blog.

Der Flächenverbrauch

Als erstes bin ich bei meiner Recherche nach Daten auf eine Studie der Bayer AG gestoßen.1 Hier wird eine Ertragslücke von 57 Prozent bei Weizen angenommen. Das bedeutet, dass ein Öko-Weizenfeld nur 43 Prozent des Ertrags eines konventionell bewirtschafteten Feldes bringt.

Allerdings ist die Bayer AG selbst ein großer Hersteller von Pflanzenschutzmitteln und nicht unbedingt neutral. Daher habe ich mich auf die Suche nach anderen Daten gemacht.

Studie aus Göttingen

Also habe ich mich weiter auf die Suche gemacht und eine Analyse aus Göttingen gefunden.2 Diese wiederum stützt sich auf drei verschiedene Meta-Analysen, die wiederum Dutzende Studien zusammenfassen. Was ist das Ergebnis?

Ertrag Bio zu
konventionell
Seufert et al.
(2012)
de Ponti et al.
(2012)
Ponisio et al.
(2015)
Getreide−26%−21%−22%
Wurzeln und Knollen.−26%−29%
Ölsaaten−11%−26%−12%
Hülsenfrüchte−10%−12%−15%
Obst und Früchte−3%−28%−8%
Gemüse−33%−20%−13%
Alle Pflanzen−25%−20%−19%

Das bedeutet, dass nach den von der Studie von Verena Seufert, Navin Ramankutty und Jonathan A. Foley 3 bei Getreide der Ertrag pro Hektar bei Biolandwirtschaft und 26 Prozent niedriger ist, bei Ölsaaten um 11 Prozent und so weiter.

Auffällig ist allerdings, dass die Unterschiede zwischen den Studien in einzelnen Bereichen sehr groß sind. Bei Obst und Früchten kommen Seufert et al. nur auf einen um 3 Prozent niedrigeren Ertrag, de Ponti geht dagegen von 28 Prozent aus. Dafür schätzen die beiden anderen Studien die Lücke bei Gemüse kleiner.

Unterm Strich kommt Verena Seufert mit ihren Kollegen auf eine Ertragslücke von 25 Prozent, etwas mehr als die beiden anderen zitierten Studien. Das bedeutet, dass für einen vollständigen Umstieg auf Bio-Landwirtschaft ein Drittel mehr landwirtschaftliche Fläche benötigt wird.

So viel Fläche wird mehr verbraucht

Warum ein Drittel und nicht 25 Prozent? Weil der Ertrag pro Hektar jetzt nur noch bei 75 Prozent liegt. Die 25 Prozent Rückgang sind davon ein Drittel. Oder anders ausgedrückt. Es reicht nicht meine Anbaufläche um 25 Prozent zu erhöhen, weil ja dort der Ertrag ebenfalls niedriger ist.

Betrachten wir das mehr an Flächenverbrauch, sieht die Grafik so aus:

Erhöhter Flächen-
verbrauch
Seufert et al.
(2012)
de Ponti et al.
(2012)
Ponisio et al.
(2015)
Getreide35%27%28%
Wurzeln und Knollen...
Ölsaaten12%35%14%
Hülsenfrüchte11%14%18%
Obst und Früchte3%39%9%
Gemüse49%25%15%
Alle Pflanzen33%25%23%

Ich habe ja in den Anfangstagen des Statistiker-Blogs schon mal über Wohnbebauung geschrieben und darüber, dass eine hochverdichtete Bauweise zwar weniger Artenvielfalt als eine Einfamilienhaussiedlung bietet, dafür aber weniger Platz benötigt. Ähnlich ist es auch hier.

Wie aussagekräftig sind die Daten?

Wie wir gesehen haben, weichen die Ergebnisse zwischen den einzelnen Metastudien ab. Allerdings kommen alle drei zu einer Ertragslücke von mindestens 19 Prozent.

Ich habe versucht, gezielt auch Pro-Bio-Studien zu finden und tatsächlich auch sehr viele Zeitungsartikel dazu gefunden. Zu meiner Überraschung bestreiten auch die aber die Ertragslücke überwiegend nicht.

Die Befürworter von biologischer Landwirtschaft argumentieren eher damit, dass die Herstellung synthetischer Düngemittel sehr viel Energie verbraucht. Am CO2-ärmsten ist angeblich eine Kombination von synthetischen Spritzmitteln mit der Düngung durch Gülle.

Ist Bio umweltschädlich?

Allerdings ist die Liste mit dem höheren Flächenverbrauch zunächst einmal rein theoretisch. Denkbar ist, dass einfach nur die Überproduktion und die Nahrungsmittelexporte etwas sinken würden.

Außerdem argumentieren Bio-Befürworter, dass landwirtschaftliche Fläche nicht per se schlecht ist. Zwar ist auch auf einem Bio-Acker die Artenvielfalt geringer als bei naturnahen Flächen, aber sie bieten dafür einigen Arten eine Heimat, die nur dort leben können. Wobei das vor allem für Europa zu gelten scheint, weniger für tropische Gegenden.

Dafür aber bin ich kein Experte, mein Job ist mit der Darstellung der statistischen Daten getan. Meine persönliche Meinung: vermutlich ist ein gewisser Anteil von ökologisch bewirtschafteten Flächen nicht verkehrt, um auf diese Umgebung spezialisierten Arten eine Heimat zu geben. Als Lösung für die Welternährung scheint mir der Ökolandbau aber nach der Recherche nicht mehr geeignet. Der Bioladen in meiner Heimatstadt existiert ohnehin nicht mehr, er wurde von den Biosupermärkten verdrängt.

Footnotes

  1. Kann Ökolandbau allein die Welt ernähren? (bayer.com)
  2. Meemken, Eva-Marie Meemken und Quim, Matin:
    Organic Agriculture, Food Security, and the Environment | Annual Review of Resource Economics; Göttingen 2018
  3. Seufert, Verena; Ramankutty, Navin und Foley, Jonathan A.:Comparing the yields of organic and conventional agriculture, Montreal 2012
5 thoughts on “Ist Bio besser?”
  1. Ich glaube, alle paar Jahre (statistisch gesehen 🙂 ist ein Lob fällig: Immer informativ, dieser Artikel besonders!

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