Wer sich, wie ich, gerne mit Wahrscheinlichkeiten beschäftigt, der wird sich jetzt sicher denken: Nicht schon wieder das Ziegenproblem!! Zugegeben, diese Frage taucht immer wieder in allen möglichen Büchern über Wahrscheinlichkeiten auf, obwohl das Ergebnis völlig offensichtlich ist. Es gibt sogar ganze Bücher dazu – und trotzdem widmet sich der Statistiker-Blog diesem Thema, wie kann das sein? Zumal auch ich ein ähnliches Problem schon mal analysiert haben. Warum also jetzt auch hier das Ziegenproblem? Ganz einfach, ich finde dass ein Punkt in den meisten Beschreibungen zu wenig Beachtung findet.
Erklärung Ziegenproblem
Das Ziegenproblem kennen deutsche Fernsehzuschauer aus der Sendung „Geh aufs Ganze“. Bekannter ist es allerdings unter dem Namen Monty-Hall-Problem, denn so war der Name des Gastgebers der US-Show „Let’s make a deal“. Der Spieler muss am Ende zwischen drei Türen wählen. Hinter zweien steht eine Ziege (in Deutschland der „Zonk“), hinter der dritten befindet sich der Hauptgewinn, ein Auto. So weit, so klar. Der Teilnehmer wählt eine Tür. Dann öffnet der Spielleiter eine zweite und fragt den Spieler, ob er wechseln will.
Sollte er wechseln lautet die Frage. Na klar, lautet die Antwort, denn wenn er wechselt wird er in zwei von drei Fällen gewinnen, bleibt er der alten Tür treu nur ein einem von drei Fällen. Hier widersprechen dann erfahrungsgemäß die meisten Zuhörer. Warum? Warum ist die Chance bei zwei Türen nicht 50:50?
Die Nebenbedingungen
Gerade habe ich wieder ein Buch gelesen, in dem das Problem diskutiert wurde. Viel zu wenig wurde aber auch dort herausgestellt, warum es sich lohnt zu wechseln. Die Antwort lautet: Weil es hier nur eingeschränkt um Zufall geht und es zwei Nebenbedingungen gibt, die viel zu wenig erwähnt werden.
- Niemals wird die Tür geöffnet, die der Kandidaten gewählt hat.
- Niemals wird die Tür geöffnet, hinter der der Hauptgewinn ist.
Würde eine der beiden Bedingungen nicht gelten, dann wäre die Trefferwahrscheinlichkeit tatsächlich 50:50. Beide Bedingungen müssen also gleichzeitig erfüllt sein.
Um die entscheidende Begründung für die scheinbar paradoxe Trefferwahrscheinlichkeit von 2/3 bei einem Wechsel noch einmal zu begründen: Das liegt daran, dass nicht nur der Zufall eine Rolle spielt, welche Tür sich öffnet.
Lösung Ziegenproblem: Verräterische Türen
Das heißt, haben wir die Tür gewählt, hinter der der Hauptgewinn ist, dann ist es doch Zufall, welche sich anschließend öffnet – allerdings auch egal. Denn wenn wir wechseln verlieren wir immer. Die meisten Leser werden mir zustimmen, dass bei der zufälligen Wahl von einer von drei Türen wir mit einer Trefferwahrscheinlichkeit von 1/3 richtig liegen. Mit 1/3 verlieren wir also bei einem Wechsel.
Und wenn der Gewinn hinter einer der Türen ist, die wir nicht gewählt haben? Zur Erinnerung, mit 2/3 Wahrscheinlichkeit haben wir die falsche Tür gewählt. Ausgenommen natürlich den Fall, dass wir noch andere Informationen hatten, dass uns beispielsweise der Aufnahmeleiter verraten hat, wo der Gewinn ist. Aber gehen wir davon aus, dass wir geraten haben. Dann haben wir mit 2/3 Wahrscheinlichkeit falsch geraten. Und in diesen Fällen ist es kein Zufall, welche Tür sich öffnet und welche geschlossen bleibt. Es bleibt immer die Tür geschlossen, hinter der der Hauptgewinn ist.
Haben wir Tür 1 gewählt und der Gewinn ist hinter Tür 2, dann geht immer Tür 3 auf. Ist er hinter Tür 3, geht Tür 2 auf. Immer. Mit Zufall hat das nichts zu tun.
Für Ungläubige
Damit ist das Ziegenproblem eigentlich schon erklärt. Wer es trotzdem nicht glaubt, mag einen Blick auf die Tabelle unten werfen.
Mit einem Drittel Wahrscheinlichkeit haben wir die Konstellation aus der ersten Zeile, also ein Auto hinter Tür 1 und die Ziegen hinter Tür 2 und 3. Nehmen wir an, wir wählen Tür 1. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/3 haben wir den Gewinn gewählt, jeder Wechsel ist sinnlos. Ist der Gewinn aber hinter Tür 2, dann würde sich zwingend die Tür 3 öffnen. Tür 1 darf ja nicht auf gehen, denn die haben wir gewählt. Tür 2 hat den Gewinn, darf sich also auch nicht öffnen. Es muss also Tür 3 aufgehen und ein Wechsel führt immer zum Erfolg. Analog gilt das auch für den dritten Fall.
Tür 1 | Tür 2 | Tür 3 | Wahrscheinlichkeit |
Auto | Ziege | Ziege | 1/3 |
Ziege | Auto | Ziege | 1/3 |
Ziege | Ziege | Auto | 1/3 |
Das eine von uns nicht gewählt Tür zu bleibt ist also ein Hinweis. Sie hätte sich öffnen können, tut sie aber nicht. Womöglich (mit 2/3 Wahrscheinlichkeit) öffnet sie sich also nicht, weil der Gewinn dahinter ist. Das Zubleiben der Tür ist also ein Hinweis, deshalb ist es keine reine Zufallsauswahl. Für die von uns gewählte Tür gilt das nicht, sie darf sich nach der ersten Nebenbedingung nicht öffnen.
Statt eine Tür zu öffnen könnte der Moderator auch einfach sagen: „Wenn Sie wechseln verrate ich Ihnen, welche der beiden Türen die richtige ist, falls der Gewinn nicht hinter der ersten Tür befindet.“
Jetzt passt es auch wieder
Das muss auch so sein, denn wären die Chancen 50:50, dann würde das bedeuten, dass 50 Prozent der Spieler am Ende ein Auto gewinnen würden, selbst wenn sie nicht wechseln. Wie kann das sein: man wählt zufällig eine von drei Türen, hinter denen der Gewinn mit einer Wahrscheinlichkeit von jeweils 1/3 ist und gewinnt trotzdem am Ende in der Hälfte der Fälle?
Die Antwort ist: Gar nicht. Deshalb kann die Wahrscheinlichkeit dafür richtig zu liegen, wenn man nicht wechselt, keine 50 Prozent betragen wenn die beiden Nebenbedingungen gelten. Und wenn sie nicht gelten? Wen das interessiert, für den habe ich einen zweiten Beitrag geschrieben. Ich habe das aber ausgelagert, denn ich habe ja eine einfache Erklärung versprochen – und die lautet: Die Wahrscheinlichkeit bei einem Wechsel zu gewinnen ist 2/3, weil es nicht nur Zufall ist, wenn eine der Türen geschlossen bleibt. Und wem das kompliziert genug ist, der mag jetzt aufhören zu lesen. Für alle anderen geht es hier weiter.
Ja, die Spielregel, die zu einer zwei-Drittel-Lösung führt, lautet:
„Der Kandidat bestimmt zwei Türen, von denen der Moderator eine mit einer Ziege öffnen muss. Danach wählt der Kandidat eine der beiden verbleibenden Türen aus.“
Übrigens kann man dieses Spiel mit drei Spielkarten nachspielen, und es erweist sich, dass der Mitspieler die zwei-Drittel-Lösung schon erkennt, bevor man überhaupt mit dem Spiel angefangen hat.
Das „Ziegenproblem“, das um die Welt ging, beinhaltet aber diese Spielregel oder eine gleichwertige nicht.
In einem im Jahr 2009 geschriebenen Artikel schildere ich ausführlich den Werdegang des Irrtums, der sich von 1990 bis heute verbreitet hat:
http://www.gfksoftware.de/Ziegenproblem/
Ein Kernsatz dort lautet:
„Meiner Ansicht nach wird bei vielen in der Zwei-Drittel-Fraktion auch heute noch nicht der Unterschied zwischen der bloßen Tatsache gesehen, dass der Moderator nach der ersten Wahl eine nicht gewählte Ziegentür öffnet, und dem Zwang zu dieser Handlung, der sich durch die erwähnte Spielregel ergäbe und der entscheidend ist für die Begründung der Zwei-Drittel-Lösung, insbesondere auch für das „Nachspielen“ und für „Computer-Beweise“.“
Hallo Herr Grosche,
Sie hätten recht, wenn der Showmaster zufällig eine Tür von dreien öffnen würde, aber das ist nicht der Fall. Der Showmaster darf laut Regeln keine Tür öffnen, hinter der ein Gewinn ist und nicht die, die der Spieler gewählt hat. Daher verändert sich die Wahrscheinlichkeit nicht, wir haben keine 50:50 Chance.
Hallo, warum wird immer wieder vernachlässigt, dass die Dinge in einer zeitlichen Abfolge ablaufen? Wenn der Showmaster ein Ziegen-Tor aufgedeckt hat, entsteht eine völlig andere Situation, die völlig neu zu bewerten ist (die Ausgangssituation mit 3 Toren kann dann quasi ad acta gelegt werden). Die neue Situation ist dann: Ich habe zwei Tore zur Auswahl und weiß nicht, hinter welchem Tor der Gewinn ist = Chance 50:50. Alles was vorher war, ist unwichtig. Auch kann man die Gedanken/Absichten des Showmasters nicht lesen.
Warum ignorieren alle, dass es eine zeitliche Abfolge und sich daraus ergebende Neubewertungen von Situationen gibt?
Hallo, den Ansatz von der Wahrscheinlichkeit für eine Ziege auszugehen finde ich gut.
Hallo, mir hat es sich erst erschlossen, als ich nicht von der Wahrscheinlichkeit die Tür mit dem Auto zu wählen ausging, sondern der Warscheinlichkeit eine Ziege ausgewählt zu haben – nämlich 2/3 in Runde 1. Dann in Runde 2 (mit einer Ziege, die nun wegfällt), beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass die Ziege hinter meiner Türe ist noch immer 2/3, jedoch bei einem Wechsel nur noch 1/3. Voraussetzung ist natürlich, dass ich in Runde 1 gewählt habe, denn wählte ich nur zwischen 2 Türen, dann läge die Warscheinlichkeit tatsächlich bei 50/50.
[…] haben jetzt also gelesen, dass die Wahrscheinlichkeit mit einem Wechsel beim Ziegenproblem zu gewinnen deshalb 2/3 ist und […]