In der vergangenen Woche haben wir gesehen, dass Menschen auf die Frage „Sind sie glücklich“ scheinbar paradox antworten. Frauen in Pakistan, die relativ wenig Rechte haben, geben nicht nur deutlich häufiger an sehr glücklich zu sein als ihre deutschen Geschlechtsgenossinnen, sondern auch als pakistanische Männer. Sind Menschen also glücklicher, wenn sie nicht mit zu viel Wohlstand und Verantwortung „beschwert“ werden oder ist es schlicht so, dass für pakistanische Frauen Bescheidenheit ein so wichtiger Wert ist, dass sie ihre Zufriedenheit oft mit sehr hoch bewerten.
Andere Quellen, andere Ergebnisse
Zu einem ganz anderen Ergebnis als die im vergangenen Beitrag vorgestellte Statistik kommt eine Übersicht, die ich bei ourworldindata.org gefunden habe. Hier ist die Sache klar, je ärmer ein Staat desto größer die Zahl derer, die mit dem individuellen Lebensstandard unzufrieden sind.
Allerdings hat die Statistik aus unserer Sicht einen großen Nachteil. Denn hier werden Menschen nur nach der Unzufriedenheit mit dem Lebensstandard gefragt. Ganz abgesehen davon, dass ein hohes Bruttoinlandsprodukt pro Kopf natürlich nicht auch ein hohes Durchschnittseinkommen bedeutet und außerdem die Einkommensverteilung sehr ungleich sein kann. Letzteres Problem haben wir aber immer.
Der World Happiness Report der Vereinten Nationen
Besser geeignet ist der World Happiness Report der Vereinten Nationen. Er fragt nicht nur nach dem Lebensstandard, sondern ganz allgemein nach der Zufriedenheit. Das aber wird weniger direkt abgefragt als bei der im vergangenen Beitrag zitierten Umfrage. Vielmehr haben die Meinungsforscher von Gallup, die die Erhebung im Auftrag der UN durchführen, hier eine Cantril Skala (Cantril Ladder) verwendet. Dabei müssen die Befragten auf einer Skala von 0 bis 10 angeben, als wie gut sie ihr Leben empfinden, wobei 0 das schlechteste und 10 das beste denkbare Leben ist.
Erstaunlicherweise weichen die Ergebnisse teilweise deutlich von denen der vergangenen Umfrage ab. Pakistan beispielsweise, im World Value Survey besser platziert als Deutschland, schneit zwar erstaunlich gut ab (besser beispielsweise als Indien), aber deutlich schlechter als Deutschland oder andere EU-Staaten. Im World Happiness Report korrelieren die Ergebnisse stark mit dem materiellen Wohlstand eines Landes. Ganz vorne im Ranking findet man die üblichen Verdächtigen, reiche Staaten die ihren Bewohnern viel Sicherheit bieten. Das sind natürlich vor allem die skandinavischen Staaten, die Plätze eins bis vier belegen (in dieser Reihenfolge) Finnland (7,6 Punkte gerundet), Norwegen (7,6 Punkte), Dänemark (7,6 Punkte) und Island (7,5 Punkte). Nur die Schweden schwächeln, sie landen „nur“ auf Platz neun.
Die ersten 15 Staaten liegen fast alle in Europa, selbst die als notorisch miesepetrigen verschrienen Deutschen bewerten ihr Leben durchschnittlich mit 7,0 Punkten und landen damit auf Platz 15. Außerhalb Europas haben es vier Länder unter die Top 15 geschafft, nämlich Kanada (Plat sieben mit 7,3 Punkten), Neuseeland (Platz acht mit 7,3 Punkten), Australien (Platz zehn mit 7,3 Punkten), Israel (Platz elf mit 7,2 Punkten) und Costa Rica (Platz zwölf mit 7,1 Punkten).
Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang die gute Platzierung von Israel und Costa Rica. Das erste Land befindet sich im Konflikt mit seinen Nachbarn und nicht wenige Menschen auf dieser Welt würden es gerne von der Landkarte verschwinden sehen. Warum schneidet das Land so gut ab? Ich weiß es nicht, vielleicht weil vielen Juden das Leben dort einfach gut erscheint im Vergleich zur Situation ihrer Glaubensbrüder und -schwestern in Europa? Oder liegt es nur an dem vergleichsweise hohen Wohlstand?
Vielleicht ist es auch die Nähe zu deutlich ärmeren Staaten, die die Israelis so zufrieden werden lässt. Das könnte auch der Grund sein, warum Costa Rica so gut abschneidet. Keine Frage, das Land ist vergleichsweise wohlhabend und gilt als eines der stabilsten und sichersten Lateinamerikas. Allerdings ist es vom deutschen Wohlstand noch weit entfernt. Aber vielleicht ist es ja auch das Wetter, dass die Menschen in Israel und Costa Rica so zufrieden sind.
Ganz unten
Galup hat Unterkategorien erhoben wie Recht und Ordnung, Nahrung und Unterkunft, Arbeit, Wirtschaft, Gesundheit und tägliche Erfahrungen. Die wurden bewertet und können einen unterschiedlich großen Anteil der Zufriedenheit erklären. Natürlich gehört auch das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf zu den erklärenden Variablen.
Kein Wunder, dass viele afrikanische Länder auf der Liste stehen. Mit dabei ist natürlich der von Hunger und Bürgerkrieg geplagte Südsudan. Auch das arabische Jemen wird von Kämpfen erschüttert und seht deshalb ebenfalls ganz hinten.
Zufriedenheit aufgesplittet
Die Meinungsforscher von Galup haben sogar versucht, das Glück eines Landes genau bestimmten Faktoren zuzuordnen, also beispielsweise zu erklären welchen Anteil am Glück die Abwesenheit von Korruption hat. Dabei wird das Land mit dem niedrigsten Beitrag eines Faktors zum Gesamtglück des Landes mit 0,0 bewertet. Beim Thema Großzügigkeit ist das Griechenland, was nicht automatisch bedeutet, dass die Griechen die am wenigsten großzügigen Menschen der Welt sind. Am anderen Ende der Skala steht Myanmar, hier trägt die erlebte Großzügigkeit 0,6 Punkte bei, Deutschland liegt mit 0,3 im Mittelfeld.
Diese errechnete Punktzahl bildet nicht nur ab, wie erfolgreich ein Land in der jeweiligen Kategorie ist, sondern auch wie wichtig es den Menschen ist. So erreicht beim Thema Korruption Singapur einen Höchstwert von 0,5 Punkten. Beim Thema BIP und sozialer Unterstützung liegen die höchsten Werte jeweils bei 1,6 (Katar für das BIP, Island für die soziale Unterstützung).
Für Deutschland ist das Thema „soziale Unterstützung“ (social support) besonders wichtig, es erklärt fast 1,5 Punkte. Den zweithöchsten Anteil trägt das hohe Bruttoinlandsprodukt zum deutschen Glück bei, rund 1,4 Punkte. Es folgt die Zahl der gesunden Lebensjahre, die man in Deutschland erwarten darf (health life expectancy) mit rund 0,0 Punkten vor der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen (Freedom to make life choices) mit rund 0,6 Punkten. Die im weltweiten Vergleich geringe Maß an wahrgenommener Korruption in Deutschland (perceptions of corruption) trägt ebenso wie die Großzügigkeit (generosity) rund 0,3 Punkte bei. 0,2 Punkte können nicht erklärt werden, 1,9 Punkte sind der Basiswert. Diesen würde auch ein Land erreichen, das in allen Unterkategorien 0,0 Punkte erreicht, wobei kein Land in mehr als einen Rubrik 0,0 Punkte bekommt, Somalia beispielsweise beim BIP und Bosnien-Herzegowina bei der Korruption.
Natürlich kann man diese Werte im Einzelfall hinterfragen, aber sie lassen einen doch eine gewisse Idee davon bekommen, was den Menschen wichtig ist und wo Deutschland gut abschneidet. Wobei Deutschland überall besser abschneidet als der Durchschnitt.
Fazit
Der World Happiness Report kommt teilweise zu anderen Ergebnissen als andere Erhebungen zum Glück. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass hier nicht so direkt die Frage „Sind sie glücklich“ gestellt wurde. Diese Differenz zeigt wie schwer es ist Glück zu messen, denn beide Verfahren haben ihre Vor- und Nachteile. So mag anerzogene Bescheidenheit dazu führen, dass Menschen sich häufiger als glücklich bezeichnen. Ein Effekt, den es sicher auch bei der vom World Happiness Report verwendeten Cantril Skala gibt, aber offenbar weniger stark. Andererseits hat die Frage wie man sein Leben bewertet möglicherweise die Folge, dass die Menschen eben nicht angeben, wie glücklich sie sind, sondern nur wie gut es ihnen im Vergleich zu anderen geht. Ein reicher, aber unglücklicher Mann würde dann eine hohe Punktzahl vergeben, nicht weil er wirklich glücklich ist, sondern weil er denkt, dass er es eigentlich sein müsste. Ohnehin stellen einige Philosophen die Frage, ob es wirklich das Ziel ist immerzu glücklich zu sein.
Zufriedenheit ist also schwer messbar, das gilt umso mehr für die Frage welche Faktoren einen hohen Punktwert hervorgerufen haben. Trotzdem lohnt es sich, sich mit der Frage zu beschäftigen, denn ein glückliches und langes Leben ist für die meisten Menschen vermutlich der höchste Wert. Und immerhin gibt es ja auch eine ganze Reihe von Gemeinsamkeiten. Die europäischen Länder schneiden in beiden Untersuchungen meist besser ab als jene aus anderen Erdeteilen und insbesondere die Skandinavier liegen beide Male recht weit vorne.