Im vergangenen Beitrag haben wir uns das Thema Beschäftigung angesehen. In diesem vorerst letzten Beitrag zum Thema Rente mit 70 soll es um die andere Seite gehen, nämlich die Arbeitslosigkeit.
Die Arbeitslosigkeit Älterer hat in den vergangenen Jahren gegen den Trend deutlich zugenommen. Sie ist von nur 79.000 im Januar 2006 auf rund 171.000 im Januar 2011 angestiegen. Allerdings gibt es hier wieder mal ein paar Probleme. Nirgendwo haben sich die unterschiedlichen Regierungen so viele mehr oder wenige kreative Regelungen einfallen lassen um Menschen nicht mehr als arbeitslos zu zählen, wie bei den Älteren. Besonders unsinnig ist die dabei der von Olaf Scholz eingeführte Absatz 2 des Paragraph 53a SGB II. Er sagt, dass Langzeitarbeitslose, die älter als 58 Jahr sind, im SGB II nicht mehr als arbeitslos gelten, wenn sie ein Jahr lang kein Jobangebot erhalten hat. Wer also möglichst wenig für die Älteren tut, wird dafür mit niedrigen Arbeitslosenzahlen belohnt. Gleichzeitig wurde eine Sonderregel gestrichen, nämlich der §428 SGB III, nach dem über 58-Jährige sich freiwillig vom Arbeitsmarkt zurückziehen konnten, jedoch weiter Arbeitslosengeld oder Arbeitslosengeld II erhielten.
Nun ist die oft in den Medien geäußerte Behauptung, diese Menschen würden „aus der Statistik fallen“ glücklicherweise falsch. In den unten stehenden Grafik habe ich die Entwicklung der Arbeitslosigkeit von mindestens 60-Jährigen seit Januar 2006 einmal dargestellt.
Der unterste Streifen zeigt die offiziell als arbeitslos erfassten Älteren. Der zweite Block fasst alle Sonderregelungen zusammen. Dabei habe ich den De facto-Vorruhestand nach § 428 SGB III ebenso berücksichtigt wie die vorübergehende Arbeitsunfähigkeit nach § 126 SGB III, den oben angesprochenen § 53a und die neuen Maßnahmen zur Aktivierung und Eingliederung. Bei letzteren handelt es sich um ein Sammelsurium verschiedener Programme wie der Vermittlung durch Dritte, den ehemaligen Trainingsmaßnahmen oder den Personal-Service-Agenturen. Deshalb habe ich auch die nun auslaufenden Trainingsmaßnahmen hier mitgerechnet, obwohl diese auch dem Bereich Weiterbildung zugeordnet werden könnten.
Der Block Weiterbildung umfasst somit nur die klassische Förderung der beruflichen Weiterbildung. Deren Anteil ist allerdings so klein, dass er gar nicht sichtbar ist. Im Rahmen der stärkeren Förderung der Älteren hat er aber deutlich zugenommen. Im Januar 2006 waren nur 23 Menschen in so einer Maßnahme, im September 2010 waren es 623. Der letzte Block ist der zweite Arbeitsmarkt, also insbesondere Arbeitsgelegenheiten (vor allem die sogenannten „Ein-Euro-Jobs“), Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM), aber auch der Beschäftigungszuschuss. Letzterer kann allerdings auch Arbeitnehmer in regulären Firmen fördern (also auf dem ersten Arbeitsmarkt).
Die Grafik zeigt, dass diese erweiterte Arbeitslosigkeit bis 2008 stetig zurück ging, seitdem aber wieder angestiegen ist. Allerdings hat auch diese Betrachtung ein paar Hacken. Der eine ist, dass die Zahl der §428-Fälle nur für Arbeitslosengeld-Empfänger auswertbar war, nicht aber für Bezieher der Grundsicherung. Somit dürfte der Rückgang bis 2008 sogar noch etwas stärker ausfallen, der Anstieg seitdem dagegen nur geringfügig schwächer (da es mittlerweile kaum noch §428-Fälle gibt). Ein zweites Problem ist die Stille Reserve. Das können entweder Leute sein, die sich nicht bei den Agenturen für Arbeit, Sozialämtern oder Jobcentern melden oder aber dort von Ausnahmeregeln gebrauch machen, nach denen sie keine Arbeit suchen müssen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn Leute noch zur Schule gehen, in Elternzeit sind oder Partner oder Eltern pflegen.
Diese Regelung ist eigentlich sinnvoll. Denn die Arbeitslosenstatistik soll nicht Armut oder Bedürftigkeit messen (dafür gibt es eigene Statistiken), sondern das nicht genutzte Angebot an Arbeitskräften. Allerdings kann es passieren, dass Leute von diesen Regeln gebrauch machen, die eigentlich Arbeit suchen. Im Falle der Älteren dürfte sich die Zahl der Schüler oder der Elternzeitler in Grenzen halten, andere Regeln aber durchaus genutzt werden. Vor allem aber könnte die Zahl derer zugenommen haben, die sich gar nicht erst melden.
Wir sehen uns daher noch eine zweite Zahl an, nämlich die Zahl der Leistungsbezieher. Also der Menschen, die Arbeitslosengeld oder Arbeitslosengeld II bezogen haben. Ich habe dabei drei Kategorien gebildet, nämlich die Personen, die nur Arbeitslosengeld beziehen, diejenigen, die nur Arbeitslosengeld II beziehen und jene, die beides bekommen. Einfach alle Arbeitslosengeldempfänger und alle Alg II – Empfänger zusammen zu zählen hätte nämlich zur Folge, dass einige Personen doppelt erfasst werden (eben jene, die beides bekommen).
Auch hier ist ein deutlicher Zuwachs seit 2008 erkennbar. Allerdings fällt der Rückgang seit 2006 deutlich geringer aus. Dafür dürften vor allem zwei Gründe verantwortlich sein. Einmal die Tatsache, dass neben Arbeitslosen auch Geringverdiener Grundsicherungsleistungen beziehen können. Deren Zahl dürfte aber gestiegen sein. Zum zweiten hat die sogenannte aktivierende Arbeitsmarktpolitik dazu geführt, dass sich immer weniger Menschen arbeitslos melden, die weder Arbeitslosengeld noch Alg II beziehen. Denn heute werden Arbeitslose häufiger als früher zu Vermittlungsgesprächen eingeladen.
So oder so kann man feststellen, dass die Arbeitslosigkeit unter den Älteren bis 2008 gesunken sein dürfte. Die tatsächliche Entwicklung wird wohl zwischen den beiden Grafiken liegen. Seit 2008 ist sie jedoch – das ist erst recht unumstritten – deutlich angestiegen. Ein Widerspruch zu der steigenden Beschäftigung ist das nicht. Denn aktuell ist eine Generation im rentennahen Alter, in der die klassische Hausfrauenrolle immer seltener geworden ist. Die dritte Gruppe ist also kleiner geworden, die derer die weder arbeitslos noch beschäftigt sind, sondern – meist als Hausfrauen – weder arbeiten noch arbeiten wollen.
[…] Tatsächlich hat der verantwortliche Redakteur die Thematik offenbar gut verstanden. Auch die Probleme der Arbeitslosenstatistik Älterer, über die ich ja hier auch schon geschrieben habe, kannte der […]
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