Im vergangenen Beitrag habe ich über den Unterschied bei der Lebenserwartung zwischen Männern und Frauen geschrieben und darüber, dass diese Differenz vor allem durch die geringere Müttersterblichkeit und weniger Geburten zunächst größer geworden ist. Die geringe Differenz in der Lebenserwartung zwischen Männern und Frauen im Niger dürfte auch damit zusammenhängen, dass dort jede Frau durchschnittlich rund sieben Kinder zur Welt bringt – und deutlich mehr Frauen bei der Geburt sterben, pro Geburt gerechnet wohlgemerkt.

Da schließt sich die Frage an, wie es weltweit mit dem Bevölkerungswachstum aussieht. Man liest immer wieder davon, dass die Zahl der Menschen weiter steigt, aber meist nichts Genaues. Mehr als 7,3 Milliarden Menschen lebten 2005 auf diesem Planeten, noch vor 2025 werden es vermutlich acht Milliarden sein.

Bevölkerung steigt langsamer

Zunächst die positive Nachricht vorneweg, denn die geht oft in der Berichterstattung über das Bevölkerungswachstum unter: Die Bevölkerung wächst langsamer als noch vor 20 Jahren. Betrachtet man die Entwicklung seit 1950, dann war der Zuwachs 1970 am höchsten, als die Zahl der Menschen im Vergleich zu 1965 um rund 10,8 Prozent angestiegen war, das entspricht jährlich 2,1 Prozent (Nein, ich habe mich nicht verrechnet. Das arithmetische Mittel ergibt zwar 2,2, doch das ist für die Berechnung von Wachstumsraten nicht geeignet, weil es auch hier eine Art Zinseszinseffekt gibt. Wenn es interessiert, der kann den Beitrag zum geometrischen Mittel auf matheguru.com lesen). 1990 stieg die Wachstumsgeschwindigkeit dann sogar noch mal an, auf 1,8 Prozent pro Jahr.

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Entwicklung der Weltbevölkerung in Milliarden (blaue Linie) und durchschnittliche Wachstumsrate pro Jahr, jeweils gerechnet auf die fünf Jahre zwischen dem aktuellen und dem vorherigen Messpunkt. Quelle: UN DESA, bezogen über Statista.de

Zuletzt hat sich das Wachstum allerdings nicht mehr stark abgeschwächt, von 2010 bis 2005 wuchs die Weltbevölkerung sogar geringfügig schneller als von 2000 bis 2005, nämlich um 6,3 Prozent statt um 6,2 Prozent. Das macht einen Anstieg um durchschnittlich 1,23 statt 1,21 Prozent pro Jahr. Von 2010 bis 2015 wuchs die Bevölkerung dann wieder langsamer, nämlich um 1,1 Prozent pro Jahr, so langsam wie noch nie seit 1950.

Wo steigt die Bevölkerung?

In Deutschland und in vielen anderen Industrieländern geht die Bevölkerung zurück. Sie würde sogar noch stärker sinken, wenn es keine Migration gäbe. Wenn man über den Bevölkerungsanstieg redet, ist nämlich Migration von Geburtenplus zu trennen. Das zeigt der Vergleich von Syrien und Luxemburg. In Syrien geht die Bevölkerung nämlich ähnlich stark zurück wie in Deutschland (um 0,16 Prozent in Syrien und 0,17 Prozent in Deutschland), das liegt aber vor allem an der Flucht der Menschen dort. In Luxemburg dagegen wächst sie jährlich um 2,13 Prozent (nach Daten des Worldfactbook der CIA), also deutlich überproportional.

Es gibt aber auch Fälle, in denen eine hohe Geburtenrate und ein hoher Migrationsüberschuss zusammenkommen, allen vor im Südsudan, dem mit Abstand am schnellsten wachsenden Land der Welt. Der Staat ist erst seit wenigen Jahren unabhängig vom (Nord-) Sudan. Vorausgegangen waren blutige Massaker an der mehrheitlich christlichen und animistischen Bevölkerung des Südens. Nach wie vor flüchten viele Menschen aus dem Norden, hinzu kommt eine hohe Geburtenrate.

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Umgekehrt kommt in Lettland, dem am schnellsten schrumpfenden Land der Welt (ohne Kleinststaaten) eine niedrige Geburtenrate (geringfügig höher als in Deutschland) mit einer hohen Auswanderung zusammen.

Die Geburtenrate

Wenn man vom Bevölkerungswachstum spricht, ist natürlich die Geburtenrate interessant, denn die Migration liegt weltweit gesehen bei null. Die Migrationsgewinne des einen sind die -verluste des anderen Landes, solange es keine dauerhaften Siedlungen außerhalb der Erde gibt.

Die Nettomigration, also Einwanderer minus Auswanderer, ist weltweit gesehen genau Null. Das könnte sich ändern, wenn Menschen eines Tages auf den Mond auswandern, dürfte zunächst aber die Weltbevölkerung nicht wesentlich beeinflussen. Foto: DLR/TU Darmstadt
Die Nettomigration, also Einwanderer minus Auswanderer, ist weltweit gesehen genau Null. Das könnte sich ändern, wenn Menschen eines Tages auf den Mond auswandern, dürfte zunächst aber die Weltbevölkerung nicht wesentlich beeinflussen. Foto: DLR/TU Darmstadt

Bei der Geburtenrate ist das aber nicht ganz so einfach. Das Worldfactbook der CIA bietet hier zwei Daten, nämlich die Geburten je 1.000 Einwohner (crude birth rate) und die Zahl der Kinder, die jede Frau durchschnittlich gebären würde, wenn sie bis zum Ende des gebärfähigen Alters lebt (Total Fertility Rate).

Die Zahl der Geburten sagt mehr über die aktuelle Bevölkerungsentwicklung aus, denn sie gibt die tatsächliche Geburtenzahl an. Allerdings ist das Wachstum natürlich auch noch davon abhängig, wie viele Menschen sterben.

Für langfristige Entwicklungen aber ist die Fertilitätsrate interessanter. Die Zahl der Geburten je 1.000 Einwohner ist nämlich noch von der Altersstruktur abhängig. Wenn es in einem Land viele Frauen im gebärfähigen Alter gibt, dann gibt es auch meist viele Geburten. Ein gutes Beispiel dafür ist der Iran, in dem die Zahl der Geburten noch vor einer Generation sehr hoch war. Entsprechend gibt es dort überdurchschnittlich viele Geburten, nämlich 18,0 je 1.000 Einwohner. Das ist nicht rekordverdächtig, aber über dem Schnitt und mehr als beispielsweise in Indonesien (16,7). Die heutigen Frauen haben aber keine Lust mehr auf sechs oder sieben Kinder, die Fertilitätsrate liegt mittlerweile nur noch bei 1,8 und damit niedriger als in Schweden, Norwegen oder den USA (jeweils rund 1,9).

Geburten nach Ländern

Betrachtet man die Geburtenrate, dann fällt zunächst auf, dass ganz vorne fast ausschließlich Länder aus Afrika liegen. Unter den oben dargestellten 15 Ländern mit der höchsten Fertilitätsrate sind nur zwei, die nicht in Afrika liegen, nämlich Afghanistan und Ost-Timor. Das geht auch so weiter, erst auf Platz 34 folgt mit dem Irak wieder ein Land, das nicht in Afrika liegt.

Fertilitätsrate Grafik
Länder mit der höchsten Fertilitätsrate (TFR). Quelle: CIA

Dagegen scheint die Religion keine so große Rolle zu spielen wie oft angenommen. Zwar sind der Niger, Mali, Somalia und Burkina Faso und Afghanistan überwiegend muslimisch, andere Länder mit sehr hoher Geburtenrate dagegen überwiegend oder sogar fast ausschließlich christlich oder animistisch. In Äthiopien oder Nigeria sind beide Religionen sehr stark vertreten.

Immerhin lässt sich sagen, dass die meisten hier vertretenen Staaten arm sind, wobei auch das für Angola relativiert werden muss. Das Land ist ähnlich wohlhabend wie Armenien, ein Land mit einer sehr niedrigen Geburtenrate. Im Vergleich zu Bosnien-Herzegowina, einem der Länder mit den niedrigsten Geburtenraten weltweit, ist der Unterschied immerhin gering. Allerdings nur im Durchschnitt, wenn man das Bruttonationaleinkommen pro Kopf als Maßstab nimmt. Die Einkommensverteilung ist dort nämlich sehr ungleich und die Hauptstadt Luanda gilt als ein der teuersten Städte der Welt.

Die Armut dürfte wohl ein wichtiger Grund für hohe Geburtenraten sein, allerdings ist es nicht das einzige Kriterium. Zeichnet man in einer Grafik nämlich das kaufkraftbereinigte Bruttonationaleinkommen und die Geburten je Frau an zwei Achsen an, gibt es eine tendenziell steigende Linie, die aber starke Zacken hat. Der Korrelationskoeffizient nach Bravais-Pearson liegt bei rund 0,5. Teilweise haben Länder mir gleich hohem Einkommen wie Nord-Korea (1,97 Geburten je Frau) und Mal (6,06 Geburten) trotz gleichem Bruttonationaleinkommen (1.200 USD) deutlich unterschiedliche Geburtenraten.

BNE und Geburten Grafik
Geburten je Frau und Bruttonationaleinkommen. Rot dargestellt sind (von links nach rechts) Niger, Nordkorea, Äquatorialguinea, Deutschland, Katar. Quelle: Worldfactbook der CIA

Wobei natürlich auch die Daten zum Einkommen im Einzelfall wenig aussagekräftig sein können. Das zeigt das Beispiel Äquatorialguinea. Das Land fällt in der Grafik auf, weil es trotz vergleichsweise hohem Einkommen (vergleichbar mit Tschechien) eine sehr hohe Geburtenrate hat. Allerdings gilt das Land als sehr ungleich. Seinen Reichtum verdankt es dem Erdöl, doch die Einnahmen fließen in die Taschen sehr weniger Menschen, so dass die Mehrheit der Bevölkerung nicht auf dem Wohlstandsniveau von Tschechien lebt.

Andere Faktoren dürften eine Rolle spielen, beispielsweise die Bildung oder auch die Rolle der Frau. Bangladesch beispielsweise hat seine Geburtenrate in den vergangenen Jahren deutlich reduziert, auf 2,4 Geburten je Frau. Das liegt womöglich ausgerechnet mit der viel gescholtenen Textilindustrie zusammen, in der viele Frauen arbeiten, die damit für einen bedeutenden Teil des Familieneinkommens verantwortlich sind und deshalb Macht gewonnen haben.

Wie viele Menschen haben auf der Erde Platz?

Nun wäre es natürlich falsch, das Problem ausschließlich bei den armen Ländern zu suchen. Immerhin ist es nicht alleine die Zahl der Menschen, die ein Problem ist, sondern auch die Frage, wie viel jeder verbraucht. Und hier liegen die wohlhabenden Ländern logischerweise ganz vorne.

Wie viel Menschen theoretisch auf der Erde ernährt werden könnten, ist umstritten. Es hängt vom individuellen Ressourcenverbrauch ab und davon, wie viel Natur man noch haben will. Würden wir alle in Hochhäusern leben, kein Fleisch essen, nicht verreisen und auch sonst möglichst wenige Ressourcen verbrauchen, dann wäre vermutlich auch für 20 Millionen Menschen Platz. Aber das ist nicht besonders realistisch, gerade erst hat das Statistische Bundesamt verkündet, dass die Einsparungen beim Spritverbrauch durch bessere Technik durch den Trend zu immer größeren Autos („SUV“) und den gestiegenen Fahrzeugbestand gebremst wird (die Presseinfo gibt es hier).

haus-singapur
Klar, dass das Wohnen in diesem Apartmenthaus in Singapur weniger Platz verbraucht als…
Suburbia
…das Wohnen in einem typischen Vorort von Los Angeles mit Autobahnanbindung ins Zentrum. Schöner ist Los Angeles deswegen auch nicht, eher im Gegenteil. Fotos: Jérémy Binard (Singapur) und bewbooks (Los Angeles) auf Flickr.de.

Deshalb schadet es wohl nicht, ein bisschen auf den Verbrauch an Energie und auch Natur zu achten. Muss ja nicht immer ein SUV sein.

Fotos unter Creative Commons Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/de/

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