Pünktlich zur EM widme ich mich wieder mal dem Thema Fußball. Ich bin zwar kein Fußball-Fan, verfolge aber zumindest die WM und EM. Insgesamt mache ich Sport lieber selbst als ihn anzusehen, allerdings nicht Fußball, sondern Boxen und Leichtathletik.

Allerdings ist Sport ein wunderbares Anwendungsgebiet für Statistik. Für die Berechnung von Siegeswahrscheinlichkeiten ist meiner Meinung nach das EO-Rating besonders attraktiv. Ich hatte das ja zur EM 2012 schon mal ein einem Beitrag vorgestellt.

Das Elo-Rating geht zurück auf den ungarischen Statistiker und Physiker Arpad Elo, der die Elo-Zahl für Schach entwickelt hat. Vereinfacht gesagt wird für jeden Spieler eine ELO-Zahl errechnet, die sich aus den Ergebnissen der vergangenen Spiele berechnet. Dabei gibt es umso mehr Punkte, je unerwarteter der Sieg war.

Eine Elo-Zahl wird auch für Fußball errechnet. Aus diesen lässt sich wiederum ein Erwartungswert berechnen, mit dem eine Mannschaft gewinnt. Allerdings gibt es beim Fußball einen großen Nachteil, denn dieser Erwartungswert kennt kein Unentschieden. Außerdem spielt bei dieser Sportart der Zufall eine große Rolle, wie der Physik-Professor Metin Tolan in seinem Buch zur Physik (und Statistik) des Fußballs So werden wir Weltmeister ausführt. Die wechselnden Mannschaften machen die Berechnung schwerer und die geringe Zahl von Toren gibt dem Zufall eine wichtige Rolle. Deshalb dürfte auch etwas Glück dabei sein, als der Dortmunder Professor den Sieg der Deutschen Nationalmannschaft 2014 richtig vorhersagte, auch wenn der Berliner Tagesspiegel, vermutlich mit einer gewissen Portion Ironie, titelte: „Physiker beweist: Deutschland wird Weltmeister„.

Auswanderung nach Polen
Laut Elo-Rating ist nicht Polen (im Bild Tschenstochau) der stärkste Gegner Deutschlands, sondern die Ukraine. Foto: Waldemar Jan, Flickr.de

Was aber sagt uns das Elo-Rating für die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland in die Endrunde kommt? Das ist aus mehreren Gründen schwierig. Neben der grundlegenden Frage, wie gut das Elo-Rating die Siegwahrscheinlichkeit wirklich abbildet, gibt es eine Reihe von weiteren Problemen.

Wie gesagt bildet die Siegwahrscheinlichkeit keine Unentschieden ab. Außerdem lässt sich zwar eine Siegwahrscheinlichkeit für einzelne Spiele berechnen, nicht aber dafür, dass die Nationalmannschaft weiterkommt.

In der Vorrunde gibt es sechs Spiele. Vier Mannschaften absolvieren je drei Spiele – und weil an jedem Spiel jeweils zwei Mannschaften teilnehmen, gibt es eben sechs Spiele. Gehen wir vereinfacht mal davon aus, dass man mit zwei gewonnenen Spielen weiterkommt. Das ist allerdings nicht ganz richtig. Theoretisch können auch drei Mannschaften je zweimal gewinnen und dann fliegt eine raus. Es ist auch möglich, dass eine Mannschaft drei Spiele gewinnt und alle anderen eins. Dann könnte die Nationalmannschaft sogar mit einem Sieg weiterkommen.

Aber als Näherungswert ist die Annahme von zwei Siegen nicht schlecht. Beide Konstellationen sind selten und heben sich ein Stück weit auf. Ähnliches gilt auch für die Unentschieden.

Berechnen wir also mal die Siegwahrscheinlichkeit, wenn es kein Unentschieden gäbe. Die Formel für die Siegwahrscheinlichkeit für Deutschland (D) sieht folgendermaßen aus:

ED= 1/(1+10(PG-PD)/400)

PG sind dabei die Punkte des Gegner, PD die Punkte Deutschlands. Für die Gruppe mit Deutschland sieht diese Punktezahl laut der Seite eloratings.net folgendermaßen aus:

Deutschland: 2011 Punkte

Ukraine: 1812 Punkte

Polen: 1743 Punkte

Nordirland: 1595 Punkte.

Für das erste Spiel Deutschlands gegen die Ukraine ergibt sich also folgende Siegwahrscheinlichkeit für Deutschland:

ED= 1/(1+10(-199)/400) = 0,76 = 76 Prozent

Für das Spiel gegen Polen ergibt sich eine Siegwahrscheinlichkeit von 81 und gegen Nordirland sogar von 92 Prozent, immer allerdings unter der Vorgabe, dass es keine Unentschieden gibt.

So ist es ganz einfach, die Wahrscheinlichkeit für mindestens zwei Siege zu erreichen. Dazu müsste Deutschland alle Spiele gewinnen, als 0,76 * 0,81 * 0,92, was rund 0,57 Prozent oder 57 Prozent ergibt. Die Zahl an sich ist natürlich zu hoch, denn es gibt ja auch Unentschieden. Aber wir können jetzt noch die Wahrscheinlichkeit für genau zwei Siege berechnen und kommen auf einen Erwartungswert von 93 Prozent, dass Deutschland zwei oder drei Spiele gewinnt. Auch diese Zahl ist wieder etwas zu hoch, weil es ja die erwähnten Unentschieden gibt, aber weil auch die Gegner unentschieden spielen können, ist die Zahl kein schlechter Richtwert.

Deutschland kommt also zu 93 Prozent weiter. Viel mehr als ein Richtwert ist die Zahl aber nicht, dafür gibt es zu viele Annahmen und Ausnahmen. Wetten würde ich auf dieser Basis auf jeden Fall nicht abschließen. Wobei Wetten ohnehin eine gute Möglichkeit sind, um Geld zu verlieren. Dafür sorgen schon die Statistiker und Mathematiker der Buchmacher.

2 thoughts on “Kommt Deutschland weiter?”
  1. Streng genommen müsste man sagen: Der Erwartungswert ist die Wahrscheinlichkeit für einen Sieg plus die halbe Wahrscheinlichkeit für ein Unentschieden. Aber es gibt leider keine gesonderte Aussage über die Chance auf ein Unentschieden.

  2. Warum sollte der Erwartungswert kein Unentschieden kennen? Im Schach gibt es ja mehr Unentschieden als im Fußball.

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