Wie viele Leserinnen und Leser wissen, interessiere ich mich für das Thema Männergesundheit. Ein Unterschied in der Lebenserwartung von rund fünf Jahren ist ein ziemlich wichtiger Geschlechtsunterschied, trotzdem wird das Thema in Politik und Medien kaum behandelt.
Ein wichtiger Grund für die niedrigere Lebenserwartung von Männern ist, dass sie empfindlicher für Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems wie Herzinfarkte sind. In letzter Zeit aber liest man in Zeitungen und Zeitschriften immer wieder, Frauen seien eigentlich die Hauptbetroffenen. Wie passt das zusammen? Die Antwort dafür liegt in einer Fehlinterpretation von Statistik.
Todesursachen
Sehen wir uns einmal das Sterberisiko bei gleichem Alter an. Die Berücksichtigung des Alters ist wichtig, weil natürlich ein 90-jähriger und ein 30-jähriger Mensch unterschiedliche Sterbewahrscheinlichkeiten haben.
Todesursache | Age adjusted death ratio | Rang |
Selbstmord | 3,7 | 10 |
Parkinson | 2,3 | 14 |
Unfälle | 2,0 | 4 |
Leberschäden | 2,0 | 12 |
Pneumonitis | 1,8 | 15 |
Herzkrankheiten | 1,6 | 1 |
Todesursachen und Sterberisiko bei gleichem Alter. Quelle: National Center for Health Statistics der USA, „National Vital Statistics Report“.
Wir sehen: Männer sterben bei gleichem Alter häufiger an Herzkrankheiten, zu denen hier alle Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems zu gehören scheinen. Sie sind nicht die Todesursache mit dem größten Geschlechterunterschied, allerdings die bei Männern wichtigste Todesursache. Besonders groß ist die Geschlechterdifferenz dagegen beim Selbstmord.
Was genau sagen die Daten
Zunächst müssen wir uns natürlich fragen, was die Daten eigentlich bedeuten. Sind sie für unsere Zwecke geeignet?
Die Daten geben an, wie viel höher (oder niedriger) die Wahrscheinlichkeit an der genannten Krankheit zu sterben für Männer im Vergleich zu Frauen des gleichen Alters im Durchschnitt ist. An einer Herzkrankheit zu sterben, ist für einen Mann also durchschnittlich um 60 Prozent wahrscheinlicher als für eine Frau.
Natürlich handelt es sich hier nur um Durchschnittswerte. Der Unterschied kann also in einigen Altersgruppen größer und in anderen kleiner sein. Ist das die Erklärung für die Schlagzeilen? Sterben Frauen vielleicht im Alter seltener als Männer, aber in jungen Jahren, wenn der Verlust an Lebensjahren besonders groß ist, dafür häufiger oder genauso häufig an Herzerkrankungen? Nein, im Gegenteil. Der Geschlechtsunterschied sinkt mit der Menopause eher.
Wie kommen die Zeitungen zu ihrer Schlagzeile?
Warum also behaupten so viele Zeitungen und Zeitschriften, Frauen würden häufiger an Krankheiten des Herz-Kreislaufsystems sterben? Weil sie das tatsächlich tun, nur die Schlussfolgerung, sie würden genauso stark oder sogar stärker unter diesen leiden ist falsch. Wie das?
Todesursache | Männer | Frauen |
Krankheiten des Kreislaufsystems | 157 556 | 180 445 |
Koronare Herzkrankheiten | 68 599 | 52 863 |
Herzinfarkt | 26 444 | 18 085 |
Sonstige Formen der Herzkrankheit | 31084 | 42474 |
Todesfälle gesamt | 492 797 | 492 775 |
Anzahl der Todesfälle an wichtigen Herz- und Kreislauferkrankungen sowie Todesfälle insgesamt (alle Todesursachen). Quelle: Statistisches Bundesamt
Tatsächlich sterben zwar mehr Männer am Herzinfarkt im engeren Sinne (Myokardinfarkt), aber insgesamt an Herz- und Kreislauferkrankungen mehr Frauen.
Jeder und jede stirbt einmal
In der Tabelle oben habe ich auch die Gesamtzahl der Todesfälle in Deutschland aufgenommen. Im Jahr 2020 starben demnach mit 492.797 nahezu genauso viele Männer wie Frauen (492.775). Wie kann das sein, bei fünf Jahren Unterschied in der Lebenserwartung?
Um das zu verstehen, müssen wir uns zunächst eine Besonderheit der Sterbestatistik vor Augen führen: Jeder Mensch stirbt in seinem Leben genau einmal, nicht mehr und nicht weniger. Frauen sterben deshalb genauso oft wie Männer, nur eben rund fünf Jahre später.
Der Blick auf die Zahl der Todesfälle ist deshalb irreführend, wenn nicht das Todesalter mit betrachtet wird, so wie es die oben zitierte Statistik tut.
Deshalb ist auch die Schlussfolgerung, eine höhere Zahl weiblicher Todesfälle bedeute, dass Frauen genauso stark betroffen wie Männer sind. Sie sterben auch an Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems, aber deutlich später.
Warum sterben sie sogar etwas öfter? Ganz einfach, weil viele Männer bereits zuvor bei Unfällen, durch Selbstmord oder bei anderen Krankheiten gestorben sind. Herz- und Kreislaufkrankheiten sind eine „beliebte“ Todesursache bei sehr alten Menschen – und das sind meistens Frauen.
Überspitzt gesagt: Sterben neun Männer mit 50 am Herzinfarkt, ein zehnter mit 40 bei einem Unfall und deren zehn Ehefrauen mit 90 an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, dann haben wir eine höhere Zahl weiblicher Todesfälle in diesem Bereich.
Ganz so drastisch ist der Unterschied natürlich nicht. Ich meine gelesen zu haben, dass Frauen durchschnittlich zehn Jahre älter sind, wenn sie an Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben als Männer, kann das jetzt aber nicht mit einer Quelle belegen. Sicher ist, bei gleichem Alter sind Männer anfälliger für diese Krankheiten, die in vielen Zeitungen und Zeitschriften aufgestellte Behauptung, Frauen seien die Hauptbetroffenen ist also falsch.
Außer man möchte behaupten, es spiele keine Rolle, wann man stirbt, sondern nur ob. In diesem Fall aber brauchen wir uns keine Gedanken machen, wir alle werden genau einmal sterben.