Um fast 100 Prozent hat das DIW die Kinderarmut zu hoch eingeschätzt. Zumindest dann, wenn die neuen Daten stimmen. Da stellt sich natürlich die Frage, was ist jetzt eigentlich anders und wie sehr darf man den neuen Zahlen trauen? Und wie gut oder schlecht waren eigentlich die alten?
Das Problem der Antwortverweigerer ist nicht neu, hat sich aber wie im ersten Teil berichtet in den vergangenen Jahren verschärft. 11,5 Prozent der Befragten leben in einem Haushalt mit mindestens einem Antwortverweigerer. Prinzipiell gibt es vier verschiedene Möglichkeiten, mit dem Problem umzugehen.
1. Man nimmt an, dass die Person kein Einkommen hat.
2. Die Person wird herausgerechnet. Im Gegensatz zur ersten Möglichkeit wird ihr dabei weder ein Einkommen noch ein Bedarf zugeteilt.
3. Nichtberücksichtigung des gesamten Haushalts in der Analyse.
4. Schätzen des fehlenden Einkommens.
Das DIW hat sich jüngst dazu entschieden, den vierten Weg zu gehen. Dabei wird nicht einfach das fehlende Gesamteinkommen geschätzt, sondern verschiedene Einkommensarten werden getrennt berechnet und zusammengezählt. Einkommen können sowohl Markteinkommen (Gehälter, Erträge aus Selbständigkeit, Kapitalerträge, private Transfers wie der Scheck von den Eltern) als auch staatliche Transfereinkommen (Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Renten) sein. Davon werden wiederum Steuern und Abgaben abgezogen.
Sechs verschiedene Einkommensarten berechnet das DIW, nämlich Erwerbseinkommen (egal ob aus abhängiger oder selbständiger Erwerbstätigkeit), BAföG, gesetzliche Renten und Pensionen, Leistungen bei Arbeitslosigkeit, Eltern- und Mutterschaftsgeld sowie private Transfers einschließlich von Alimenten. Kapitaleinkommen und weitere Sozialtransfers werden auf der Haushaltsebene erhoben und nicht auf der Personenebene. Sie müssen daher nicht geschätzt werden.
Diese Einkommensarten werden in einem zweistufigen Verfahren berechnet. Zunächst wird für jede Einkommensart untersucht, ob eine Person, die keine Antwort gegeben hat, sie vermutlich erhählt. Wer keine Kinder hat, wird eher selten Elterngeld bekommen. Im zweiten Schritt wird dann die Höhe des Einkommens geschätzt.
Bevor die beiden Schritte durchgeführt werden, werden die Nicht-Antwortenden erst einmal in vier Gruppen geteilt. Da sind zum einen die, die noch nie geantwortet haben oder das erste Mal an der Befragung teilnehmen. Dann jene, die im vergangenen Jahr noch geantwortet haben. Weil die Einkommen auch für zurück liegende Jahre geschätzt werden gibt es auch solche, von denen für die folgenden Jahre Daten vorliegen oder jene, für die in den vorausgegangenen und in den folgenden Jahren Daten vorliegen.
Für Personen, für die keinerlei Informationen aus früheren oder späteren Jahren vorliegt, berücksichtigen die Forscher Variablen wie Geschlecht, Alter, das Verhältnis zum Haushaltsvorstand (also dem, der geantwortet hat) und eine Reihe von Informationen zum Haushalt insgesamt. Für die anderen drei Gruppen werden auch noch die Daten aus den früheren und späteren Jahren herangezogen um zu schätzen, ob die Person ein bestimmtes Einkommen in dem Jahr erhalten hat oder nicht.
Dann wird die Höhe des jeweiligen Einkommens geschätzt. Im günstigsten Fall werden Daten aus den drei Jahren davor und danach verwendet. Dabei ist das Gewicht der Informationen umso höher, je näher das Erhebungsjahr an dem mit den fehlenden Daten liegt. Vereinfacht gesagt wird das Einkommen aus zwei Komponenten geschätzt. Einmal aus der allgemeinen Einkommensentwicklung in dem gesuchten Jahr und zum zweiten aus den individuellen Informationen für die Person.
Für rund ein Drittel der Nicht-Antwortet liegen allerdings keine weiteren Informationen vor. Hier werden Informationen von Antwortenden in ähnlichen Lebensumständen herangezogen. Außerdem wird eine Zufallsvariable hinzugefügt, die die Einkommenschwankung zwischen Personen in ähnlichen Lebensumständen simulieren soll.
Was die Ergebnisse der so verbesserten Studie sind, steht im dritten und letzten Teil am kommenden Dienstag.