Es gibt auch eine gute Nachricht im Chaos rund um die aktualisierten Zahlen zur Armut des DIW. Die lautet: Einige Ergebnisse haben sich auch nach der Datenrevision bestätigt. Allerdings sind diese nicht immer erfreulich.

Bestätigt hat sich beispielsweise, dass die Armut in Deutschland seit der Jahrtausendwende zugenommen hat. In den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung gab es zunächst in Ost und West unterschiedliche Entwicklungen. Die Zahl der Personen, deren bedarfsgewichtetes Einkommen weniger als 60 Prozent des Bundesmedians beträgt sank im Osten deutlich und stieg im Westen leicht an. Von 1996 bis 1999 sank es dann in beiden Landesteilen und ist seitdem bis 1996 deutlich angestiegen. 1997 sank die Zahl der Armen wieder und stieg 1998 erneut leicht an, ohne aber auf das Niveau von 1996 zurückzusteigen.

DIW-Forscher Markus Grabka. Foto: Detlef Güthenke/DIW Berlin

Ebenfalls unverändert ist die Situation der verschiedenen Altersgruppen. Besonders betroffen sind Alleinerziehende sowie junge Alleinstehende. Die wenigsten Armen gibt es in der Altersgruppe der 41- bis unter 51-Jährigen, die meisten bei den 18- bis unter 26-Jährigen. Letztere sind übrigens deshalb besonders arm, weil es hier viele Auszubildende und Studenten gibt.

Diese Reihenfolge bestätigt sogar eine OECD-Erhebung, obwohl diese methodisch deutlich anders vorgegangen ist. Hier wurde statt der in Deutschland üblichen 60-Prozent-Grenze die 50-Prozent-Grenze herangezogen und statt der in diesem Blog bereits mehrfach erklärten Äquivalenzskala die Quadratwurzel der Personengröße als Bedarfsgewicht genommen. Eine Familie mit zwei kleinen Kindern hätte also in Deutschland das Bedarfsgewicht 1 + 0,5 + 0,3 + 0,3. Der Familie würde also der 2,1-fache Bedarf eines Alleinstehenden zugebilligt. Für die OECD würde das Bedarfsgewicht als die Quadratwurzel auf vier (weil vier Personen im Haushalt leben) berechnet, wäre also 2,0.

Auch nach der OECD-Tabelle sind 41- bis unter 51-Jährige am seltensten arm. Einen auffälligen Unterschied gibt es allerdings. Unter 18-Jährige sind bei der OECD unterdurchschnittlich oft arm, über 66-Jährige dafür überdurchschnittlich oft. Nach den SOEP-Daten ist es umgekehrt. Zumindest im Fall der über 66-Jährigen widersprechen die Daten sich allerdings nicht, die des SOEP sind schlicht besser. Sie berücksichtigen nämlich auch, dass Menschen mit Wohneigentum Miete sparen. Und weil viele Ältere Menschen ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung haben, senkt dies die Armutsquote der über 66-Jährigen. „In Deutschland wohnen immerhin 52 Prozent aller Haushalte mit einem Haushaltsvorstand im Alter von über 65 Jahren im Eigenheim oder in ihrer Eigentumswohnung, mehr als 84 Prozent dieser Immobilien sind komplett entschuldet“, erklärt DIW-Forscher Markus Grabka.

Bedarf einer Familie (zwei Erwachsene) als Vielfaches eines Alleinstehenden nach Zahl der Kinder für die Äquivalenzskala des SOEP (hellgrau) und das Quadratwurzelverfahren der OECD (dunkelgrau). Quelle: DIW

Was die Zahl der armen Kinder angeht, dürfte der Unterschied zum großen Teil aus dem unterschiedlichen Äquivalenzgewicht herrühren. Denn Kinder leben meist in größeren Haushalten. Deren Bedarf wird aber von der OECD niedriger eingeschätzt. Sie veranschlagt für eine Familie mit sieben Kindern den gleichen Bedarf, den die Äquivalenzskalen des SOEP für eine mit fünf Kindern vorsehen.

Kinderarmut in den OECD-Staaten. Armutsgrenze: 50 Prozent des Medians. Bedarfsgewichtung durch Quadratwurzel. Quelle: OECD

Nach den Daten der OECD liegt die Kinderarmut in Deutschland unter dem Durchschnitt. Allerdings bleibt hier abzuwarten, wie sich eine in Zukunft hoffentlich kommende stärkere Vereinheitlichung der Berechnung auswirkt.