Ein solidarisches Grundeinkommen soll kommen, sagt die SPD. Auch wenn sich das ähnlich anhört wie bedingungsloses Grundeinkommen, so ist doch etwas ganz anders gemeint. Arbeitsmarktexperten diskutieren die SPD-Idee bereits seit mehr als zehn Jahren unter dem Schlagwort „dritter Arbeitsmarkt“. Der Begriff lehnt sich an den zweiten Arbeitsmarkt an, zu dem Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Arbeitsgelegenheiten („1-Euro-Jobs“) gehören. Anders als dort ist aber keine Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt das Ziel. Vielmehr soll der dritte Arbeitsmarkt eine Dauereinrichtung sein und verfolgt damit keine arbeitsmarkt-, sondern sozialpolitische Ziele.
Begründet wird die Forderung damit, dass auch in Zeiten von Fachkräftemangel immer noch rund sechs Millionen Menschen Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II („Hartz IV“) beziehen. Zuletzt sind die Zahlen sogar gestiegen. Gibt es also gar keine Bewegung in dieser Gruppe?
Zunächst muss man feststellen, dass der jüngste Anstieg vor allem auf die gestiegene Zahl von Ausländern zurückzuführen ist, vor allem die Flüchtlinge. Während im Juni 2017 nur 7,2 Prozent der Deutschen Grundsicherung nach dem SGB II bezogen, waren es unter den Ausländern 21,6 Prozent. Und innerhalb dieser Ausländergruppe gibt es ebenfalls große Unterschiede. Bei den nichteuropäischen Asylherkunftsländern wie Syrien oder Afghanistan bezogen sogar 61,4 Prozent der unter 65-Jährigen SGB II – Leistungen. Weil die Daten nicht ganz einfach zu interpretieren sind, befasse ich mich in der kommenden Woche gesondert mit ihnen.
Feststellen will ich an dieser Stelle aber schon mal, dass der Anteil der SGB II – Bezieher an den Ausländern deutlich gestiegen ist, bei Ausländern aus den sogenannten nichteuropäischen Asylherkunftsländern von 47,9 Prozent im Jahr 2014 auf 61,4 Prozent im Jahr 2017. Außerdem ist die Zahl der Ausländer insgesamt gestiegen, dass erklärt den zuletzt beobachteten Zuwachs bei den Beziehern von SGB II – Leistungen. Das bedeutet übrigens nicht, dass mehr Menschen von staatlichen Geldern leben. Vielmehr haben die meisten zuvor Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, die in die Statistik aber nicht eingehen.
Bewegung im SGB II
Egal ob Ausländer oder Inländer, der Blick auf die reine Zahl von Leistungsempfängern unterschätzt die Bewegung im System. Nicht nur, dass Deutsche ihren Leistungsbezug beendeten und durch Ausländer ersetzt wurden, auch innerhalb der beiden Gruppen gibt es Bewegung.
Insgesamt gelingt es Beziehern von Arbeitslosengeld II weitaus schlechter als denen von Arbeitslosengeld, den Leistungsbezug zu verringern. Das hat zwar Gründe.
Erstens sind viele Bezieher langzeitarbeitslos. Anders als in den Medien manchmal dargestellt muss das nicht so sein. Wer zu wenig verdient hat, selbständig war oder nicht mindestens ein Jahr sozialversicherungspflichtig gearbeitet hat, bekommt kein Arbeitslosengeld, sondern sofort Grundsicherungsleistungen. Und war weniger als zwei Jahre Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt hat, bekommt weniger als ein Jahr lang Arbeitslosengeld, ist also noch nicht langzeitarbeitslos, wenn er ins SGB II wechselt. Doch viele Bezieher sind es eben doch – und kommen deshalb schwerer wieder raus.
Zweitens gibt es viele Empfänger, die zwar Arbeit finden, wegen der geringen Bezahlung (oder ihrer großen Familie) aber nicht genug verdienen um den Leistungsbezug zu beenden.
Die Zahlen
Die Bundesagentur für Arbeit listet relativ detailliert auf, wie lange SGB II Bezieher bereits Geld vom Jobcenter oder Sozialamt beziehen. Als unterbrochen gilt der Bezug dabei, wenn für mindestens 31 Tage keine Leistungen gezahlt werden. Die jüngsten Daten stammen aus der Mitte des Jahres 2017. Von den damals rund 6,1 Millionen SGB II – Beziehern bekamen 2,5 Millionen bereits länger als vier Jahre Geld, das sind 41,2 Prozent.
Somit gibt es zwar Bewegung im SGB II, allerdings vergleichsweise wenig. Von den Empfängern des klassischen Arbeitslosengeldes ist ein Großteil bereits nach einem halben Jahr wieder in Arbeit.
Im Osten sieht die Sache sogar noch schlechter aus, dort sind 49,0 Prozent länger als vier Jahre SGB II – Empfänger, im Westen trifft das nur auf 38,4 Prozent zu. Je schlechter der Arbeitsmarkt, desto höher ist meist der Anteil der langjährigen Leistungsempfänger. Einzige Ausnahme: Sind gerade viele Menschen ins SGB II gerutscht, steigt damit natürlich der Anteil der Bezieher von kurzen Laufzeiten. Natürlich wird aber auch ein Teil derer, die erst kurz Grundsicherungsleistungen bezieht, eines Tags vier oder mehr Jahre Geld bekommen haben.
Noch deutlicher wird der Ost-West-Unterschied, wenn man die Bezugsdauer in Relation zur Bevölkerung setzt. Dann sieht man, dass mehr als jeder fünfte Ostdeutsche (5,3 Prozent) unter 65 seit mehr als vier Jahren „hartzt“, bei den Westdeutschen sind es nur 2,7 Prozent.
Pro Jahr werden rund 1,1 Millionen erwerbsfähige Leistungsbezieher in Arbeit vermittelt („integriert“), davon rund 0,9 Millionen in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Die übrigen nehmen eine Ausbildung auf oder machen sich selbständig, Minijobs gelten nicht als Integration. Allerdings können trotzdem nicht alle damit den Leistungsbezug beenden.
Fazit
Im SGB II ist mehr Bewegung, als der reine Blick auf die Bestandsdaten verrät, allerdings ist der Anteil der langjährigen Leistungsbezieher sehr hoch, bundesweit liegt er bei fast 50 Prozent. Zumal von denen, die erst wenige Monate Grundsicherungsleistungen beziehen, sicher ein großer Teil noch länger im Leistungsbezug bleiben wird. Ob das solidarische Grundeinkommen deshalb aber eine gute Idee ist, ist eine ganze andere Diskussion.
[…] nicht erwerbsfähig ist. Er hat wenig Geld, vielleicht bezieht er eine Erwerbsminderungsrente oder SGB II – Leistungen. Und er wird vermutlich auch weniger lange […]
[…] vergangenen Beitrag habe ich über die Grundsicherung für Arbeitssuchende geschrieben und die Frage, wie flexibel oder […]