Gestern Abend sprang mir bei MSN die Schlagzeile „Halber Lohn für ganze Frauen“ ins Auge. Frauen verdienen demnach angeblich nur halb so viel wie Männer. Bekanntlich gibt es Lohnunterschiede zwischen dem Durchschnittsmann und der Durchschnittsfrau – doch so hoch? Welcher Journalist hat da mal wieder schlampig recherchiert? Doch leider trägt die Schuld an der Schlagzeile nur bedingt ein Journalist, sondern vor allem ein Wissenschaftler.
Das DIW mal wieder
Die Überschrift stand nämlich so ähnlich auch im DIW Kurzbericht über einem Beitrag von Stefan Bach. Dort heißt es reißerisch: „Frauen erzielen im Durchschnitt nur halb so hohe Einkommen wie Männer“. Das ist nicht ganz falsch allerdings wird nach einigem Lesen deutlich, dass sich die Rechnung keineswegs auf die Stundenlöhne bezieht, sondern auf das Jahreseinkommen. Eine nur Teilzeit arbeitende Frau wird dann beispielsweise mit einem Vollzeit arbeitenden Mann verglichen.
Problem Rentner
Aber nicht nur Haus- und Teilzeitfrauen bringen die Statistik durcheinander, sondern auch Rentnerinnen. Und das nicht nur, weil die monatliche Rente von Frauen tatsächlich unter der von Frauen liegt. Die durchschnittliche Rente liegt nämlich meist niedriger als das Erwerbseinkommen. Selbst Beamte, die vergleichsweise gut abgesichert sind, erhalten nämlich „nur“ eine Absicherung in Höhe von maximal 71,75 Prozent des letzten Gehalts. Damit lebt es sich meist sogar besser als in jungen Jahren, weil keine Kinder mehr zu ernähren und kein Haus mehr abzubezahlen ist, doch weil die DIW-Statistik das nicht berücksichtigt, senkt ein hoher Anteil von Rentner das Durchschnittsgehalt (in der Armuts- und Einkommensstatistik wird zumindest die Haushaltsgröße durch das Nettoäquivalenzeinkommen berücksichtig, auch wenn das vermutlich die Belastung von Familien unterschätzt). Die paradoxe Situation: Weil es mehr ältere Frauen als Männer gibt, sinkt deren Durchschnittseinkommen, obwohl Frauen durch die höhere Lebenserwartung eigentlich profitieren.
Stellen wir uns eine Gesellschaft vor, in der Frauen wie Männer bis zu ihrem 67. Lebensjahr monatlich 3.000 Euro und anschließend 2.000 Euro Ruhestandsgehalt bekommen, Frauen aber 80 und Männer nur 70 Jahr alt werden. Ohne Zweifel würden Frauen dann bis zu ihrem Lebensende deutlich mehr Geld erhalten, nämlich – wenn wir die Zahlung mit 20 beginnen lassen – rund 2,0 Euro statt 1,8 Millionen Euro. Ihr Durchschnittseinkommen läge nach der DIW-Berechnung aber niedriger.
Alles nicht so schlimm?
Nun bekommen Frauen tatsächlich weniger Geld, pro Stunde rund 22 Prozent weniger. Bei gleichem Tätigkeit, gleicher Arbeitszeit und gleich langen beruflichen Pausen sinkt der Abstand sogar auf 4 Prozent, hat das IW Köln berechnet.
Nun darf man natürlich auch in der unterschiedlichen Arbeitszeit Diskriminierung sehen. Frauen und Männer, so die Argumentation, wollen eigentlich beide möglichst viel arbeiten und möglichst viel Geld verdienen, beide haben kein Interesse an Elternzeit, Teilzeit oder an weniger gut bezahlten, aber den eigenen Interessen mehr entsprechenden Jobs. Die Frauen werden aber von der Gesellschaft in diese Tätigkeiten gezwungen. Das kann man so sehen – man kann es aber auch idiotisch finden. Im letzteren Fall stellt sich die Frage, was uns die Daten dann überhaupt sagen.
Und dem DIW-Forscher muss klar gewesen sein, dass ihre Ergebnisse falsch verstanden werden. Er hat das, beispielsweise durch die Überschrift, sogar bewusst gefördert. Die Argumentation, im Texte sei ja das genaue Vorgehen beschrieben, entschuldigt genauso viel oder wenig wie die Beteuerung einer Regierung, es stehe ja eindeutig im Gesetz, dass eine Reihe von Arbeitslosen nicht als arbeitslos gezählt wird (nach Schätzungen der Bundesagentur für Arbeit aktuell rund 900.000). Nein, mit der nächsten Wahl habe das nichts zu tun.
Fazit
Im besten Falle kann man sagen, dass die Analyse des DIW eigentlich nichts sagt. Im schlimmeren muss man vermuten, dass der Forscher hier die Öffentlichkeit bewusst in die Irre führen will. Das DIW schadet damit seinem eigenen Ruf. Auch hier sei an die Arbeitslosenstatistik erinnert. Immer wieder drehte die Politik an der Stellschraube und lies Arbeitslose nicht mehr als arbeitslos zählen. Als die Arbeitslosigkeit dann wirklich fiel, wollte es niemand mehr glauben.