China exportiert und exportiert. Auch der neue US-Präsident Biden macht sich Sorgen um das Leistungsbilanzdefizit seines Landes mit der Volksrepublik. Doch den größten Leistungsbilanzüberschuss weltweit hat ein ganz anderes Land.
Was ist der Leistungsbilanzüberschuss
Vereinfacht gesagt listet die Leistungsbilanz auf der einen Seite alle Einnahmen aus dem Ausland aus, auf dem anderen alle Ausgaben. Dazu zählen nicht nur Im- und Exporte, sondern auch der Kauf von Dienstleistungen, Entwicklungshilfe oder Rücküberweisungen von im Ausland lebenden Menschen.
Auf der einen Seite stehen etwa der Export einer Maschine ins Ausland, die Einnahmen eines deutschen Architekturbüros für ein neues Bürogebäude in Shenzhen und die Überweisung, die die in Kalifornien lebenden Eltern ihrem in München studierenden Kind zukommen lassen. Auf der anderen Seite stehen etwa Importe, Ausgaben deutscher Touristen im Ausland, Entwicklungshilfe oder Zahlungen an die EU und Gelder von Einwanderern für die in der Heimat gebliebene Verwandtschaft.
Die Differenz zwischen beiden Seiten ist der Leistungsbilanzüberschuss. Er entspricht dem Finanzierungssaldo. Wenn China einen Leistungsbilanzüberschuss erwirtschaftet, dann erwirbt es in gleicher Höhe ausländische Devisen und/oder Forderungen im Ausland, beispielsweise US-amerikanische Staatsanleihen.
Leistungsbilanzsalden weltweit
Dass nicht nur China, sondern auch Deutschland einen hohen Leistungsbilanzüberschuss hat, wusste ich. Wie groß der allerdings wirklich ist, war mir nicht mehr bewusst.
Tatsächlich war der deutsche Leistungsbilanzüberschuss im Jahr 2019 mit 280 Billionen US-Dollar rund doppelt so hoch wie der chinesische. Wie kommt das?
Meine erste Theorie war, dass der Euro oder zumindest die EU die Ursache sein könnte. Wenn Deutschland mit anderen Ländern einen Leistungsbilanzüberschuss erzielt, führt das nicht mehr dazu, dass die DM auf und die Währung des anderen Landes abgewertet ist. Stattdessen erhält Deutschland entweder Devisen in Form von Euros, die aus dem Land abfließen oder kauft Anleihen, Aktien, Immobilien oder andere Wertgegenstände in diesen Ländern.
Dieser Umstand spielt sicher auch eine Rolle, allerdings erzielt auch die EU als ganzes einen hohen Leistungsbilanzüberschuss. Er ist also nicht die einzige Erklärung
Welche Ursachen hat der Überschuss
Nun kann ein Leistungsbilanzüberschuss verschiedene Ursachen haben. Einer ist eine hohe Sparrate. Wer viel spart, investiert vom Ersparten einen Teil im Ausland. Das Geld fließt dann in Form von Leistungsbilanzüberschüssen wieder zurück.
Eine andere Erklärung ist, dass ein Land als Investitionsstandort unattraktiv ist. Dann fließen wenig Auslandsinvestitionen ins Land. Andersherum wird es verständlicher. Wenn Investitionen in einem Land attraktiv sind, fließt viel Kapital dorthin, beispielsweise um neue Fabriken zu bauen. Dieses Geld fließt dann teilweise wieder ins Ausland, etwa um davon Maschinen zu bauen und die Leistungsbilanz wird negativ.
Der Leistungsbilanzüberschuss der Volksrepublik China ist also auch deshalb nicht noch höher, weil viele Firmen dort aktuell investierten.
Ist ein Leistungsbilanzdefizit ein Zeichen von Schwäche?
Tatsächlich muss ein Leistungsbilanzüberschuss kein Zeichen von Stärke sein und ein Defizit keines von Schwäche. Zwar finden sich auf der Seite der Länder mit Leistungsbilanzdefiziten viele Länder, die wirtschaftlich schwach sind, etwa Somalia, Haiti oder der Niger. Diese Länder machen Schulden im Ausland und erwerben so ein Leistungsbilanzdefizit.
Zwingend ist der Zusammenhang aber nicht. Irland, das Vereinigte Königreich und die USA sind beliebte Investitionsstandorte. Ihr Leistungsbilanzdefizit beruht nicht zuletzt darauf, dass Ausländer dort gerne investieren und US-Staatsanleihen oder Immobilien in London kaufen.
Umgekehrt erzielte Afghanistan 2017 einen Leistungsbilanzüberschuss, vermutlich vorwiegend aufgrund der vielen ausländischen Hilfen, von denen ein Teil auf Konten im Ausland floss. Nicht zwingend direkt auf dem Weg von Unterschlagung, sondern auch indirekt, weil Aufträge an Inländer vergeben wurden, die das Geld dann im Ausland anlegen. Aber natürlich kann auch eine korrupte Regierung, die Entwicklungshilfe auf Liechtensteiner Konten umleitet, so ihren Teil zu einem Leistungsbilanzüberschuss beitragen.
Leistungsbilanzüberschüsse: ein zweischneidiges Schwert
Das zeigt, dass Leistungsbilanzüberschüsse nicht immer gut sind. Zumal die Bilanz keine Entwertung durch Inflation berücksichtigt. Ein großer Teil des von Deutschen im Ausland angelegten Geldes ist in Staatsanleihen geflossen. Diese verlieren aber durch die Inflation an Wert. Zum einen sind die Zinsen meisten niedriger als die Inflation, zum anderen werden die Zinsen aber in der Leistungsbilanz bereits berücksichtigt. Wenn es um die Wirkung der Inflation geht, dürfen wir sie also nicht noch einmal betrachten.
Ob Deutschland langfristig von seinem Leistungsbilanzüberschuss profitiert, bleibt abzuwarten. Mal sehen, wie sich die Verrentung der geburtenstarken Jahrgänge auswirkt.