Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat eine viel zitierte Erhebung über den Anstieg der Armut vorgelegt und gleich erste Vorschläge gemacht. Die FAZ zitiert den Verband mit der Forderung, schnell eine Steuererhöhung einzuleiten um damit die Renten erhöhen zu können.
Nun kann man daran einiges kritisieren. Beispielsweise, dass der „Pari“ von Armut spricht, aber Daten zur Armutsgefährdung verwendet. Der Unterschied dürfte aber nur Statistikern geläufig sein, arm ist jemand nämlich erst, wenn er weniger als 50 Prozent des medianen Nettoäquivalenzeinkommens hat, armutsgefährdet ist man bereits mit unter 60 Prozent.
Kritisiert wurde häufig auch, dass die Armutserhebung nicht den steigenden Wohlstand berücksichtigt. So ging sie in einigen Krisenländern zurück, weil das Medianeinkommen (also das Einkommen des Menschen, zu dem es genauso viele ärmere wie reichere Mitmenschen gibt) gefallen ist. Allerdings hat die Methode, das Durchschnittseinkommen heranzuziehen, durchaus Berechtigung, denn Menschen sind nun mal soziale Wesen und orientieren sich an ihrer Umwelt. Wenngleich sich Menschen natürlich auch am gestrigen Einkommen orientieren. Diskutieren könnte man deshalb, ob man Armut auch am gleitenden Durchschnitt des Medianeinkommens der vergangenen zehn Jahre messen sollte. Grundsätzlich aber hat die relative Armutsmessung ihre Berechtigung. Hier kann man dem „Pari“ höchsten vorwerfen, dass er das Thema Wohlstandszuwachs nicht ausreichend gewürdigt hat.
Nein, bemerkenswert ist das Ergebnis vor allem deshalb, weil die Armut der Älteren zwar überdurchschnittlich angestiegen ist, aber immer noch unter dem Durchschnitt liegt. Und dass obwohl die vom Paritätischen Wohlfahrtsverband verwendeten Daten die jüngsten Rentengeschenke wie die Mütterrente noch nicht berücksichtigen. Hier kann man tatsächlich unterstellen, dass hier mit Statistik gelogen werden soll.
Mit 16,0 Prozent liegt die Armutsgefährdung nicht nur niedriger als im Durchschnitt, sondern auch als in beiden anderen Gruppen, den Kindern und Jugendlichen und den unter 65-Jährigen ab 18. Genauere Daten bietet die jüngste Statistik des Bundesamtes leider nicht.
Erstaunen dürfte viele, dass die Kinder ebenfalls unterdurchschnittlich armutsgefährdet sind. Das hat vermutlich seinen Ursprung vor allem in der hohen Armutsgefährdung der jungen Erwachsenen, wie ältere Daten vermuten lassen. Außerdem leben besonders viele Kinder immer noch in Familien mit zwei Elternteilen. Alleinstehende sind aber deutlich häufiger arm als Menschen in Paarbeziehungen, weil bei letzteren ein niedriges Einkommen oft ausgeglichen wird. Wobei die Statistik zeigt, dass Eltern mit einem Kind mit 11,1 Prozent sogar seltener armutsgefährdet sind als unter 65-Jährige Paare ohne Kinder (12,4). Nur über 65-Jährige Paare sind mit 10,4 noch seltener armutsgefährdet.
Mit zwei Kindern sinkt die Armutsgefährdung sogar weiter (8,5 Prozent). Womöglich wirken Kinder motivierend, das Einkommen zu steigen. Außerdem dürfte auch hier gelten, dass Paare mit zwei Kindern im Schnitt älter sind als solche mit einem oder keinem Kind.
Außerdem wird durch die neue OECD-Skala, wie bericht, die Kinderarmut in meinen Augen zu niedrig angesetzt. Denn der Bedarf eines Kinder wird nur mit 30 Prozent dessen eines alleinstenden Erwachsenen gemessen. Das liegt zum Teil auch daran, dass ein alleinerziehender Vater mit Kind keine zwei Kühlschränke braucht. Im Vergleich zu jedem weiteren Erwachsenen (wenn der Vater statt eines Kindes eine Frau hätte) unterstellen die Statistiker aber immer noch, dass Kinder 40 Prozent weniger kostet. Die Sozialverwaltung geht hier von anderen Annahmen aus. Das führt im Extremfall dazu, dass eine große Familie mit Hartz IV-Bezug nicht mehr arm ist.
Trotzdem bleibt festzustellen, dass Politik und Verbände statt über Kinder- und Seniorenarmut mehr über 18 bis unter 65-Jährigen Armut sprechen müssten. Das aber lässt sich kaum verkaufen. Die Aussagen des Pari zur Seniorenarmut dürften ausschließlich politischem Kalkül folgen. Mit der Realität haben sie nichts zu tun. Erst recht nicht, wenn man bedenkt, dass die bei der Kinderarmut angeführten Vergünstigungen oft auch für Senioren gelten.
[…] Nicht ganz zu Unrecht, denn seine Auslassungen zur Armut waren relativ eindeutig PR-motiviert. Wir dargestellt hat sich der Verband um die Entwicklung der Armut gesorgt. Ins Zentrum hat er dabei die Altersarmut […]
Ich würde mal sagen: „Kommt drauf an“. Leider ist ja das Erbe sehr ungleich verteilt, auch dazu gibt es Daten. Wer reiche und sparsame Eltern hat, der wird mehr Geld als (öffentliche) Schulden erben, wer wenig verdient oder komsumfreudige Eltern hat zahlt drauf.
Im Schnitt sollte das Erbe zum Ausgleich der Schulden reichen, allerdings sind Prognosen schwierig, weil die Höhe der Erbschaften nicht nur vom heutigen Wert der Vermögen der Generation 65+ abhängig ist, sondern auch davon, wie viel davon übrig bleibt wenn der „Erbfall“ eintritt. Allerdings ist dieser Durchschnittswert aus den oben genannten Gründen nur teilweise aussagekräftig. Viele werden zweifellos nur die Schulden erben, andere dagegen auch das ein oder andere Häuschen in einem schmucken Vorort.
Guter und wichtiger Artikel. Eine durchaus zusammenhängende Frage: Vererbt diese Generation, die sich hier als altersarm inszeniert, eigentlich mehr Schulden oder mehr Guthaben, d.h. wenn man private und öffentliche Vermögen zusammen nimmt?