Aus den 1950er Jahren stammt ein scheinbares Paradoxon. Es geht um ein Kartenspiel, bei dem es nur vier Karten gibt und ein Spieler zwei Karten erhält. Unter den vier Karten sind zwei Asse und zwei Zweier. Nun geht es um die Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Spieler zwei Asse hat. Die Antwort lautet natürlich 1/6. Nun verrät uns der Spieler im einen Fall, dass er mindestens ein Ass auf der Hand hat, im anderen dass er ein Pik Ass auf der Hand hat. Das Paradoxon liegt darin, dass es scheinbar einen Unterschied macht, ob er uns die Farbe der Ass verrät und die Wahrscheinlichkeit für zwei Asse einmal 1/5 und einmal 1/3 beträgt, obwohl die Farbe eigentlich keine Rolle spielt.

Das Problem wurde von Anna-Liesa Lange und Philipp Otto zitiert. Sie nutzen es, um die Bedeutung der Baysschen Statistik zu unterstreichen. Man braucht aber Bayes gar nicht, auch mit Hilfe der klassischen Wahrscheinlichkeitsrechnung lässt sich zeigen, dass die Farbe der Ass, wie logisch zu erwarten, keinen Unterschied macht. Aber der Reihe nach.

Pik Ass Paradoxon
Im Skat-Blatt gibt es keine Zwei, aber zwei Königen statt zwei Zweiern ist das Problem das gleiche.

Warum ist die Wahrscheinlichkeit für zwei Asse überhaupt 1/6 und nicht 1/4 wie beim doppelten Münzwurf? Ganz einfach, es handelt sich hier um das Äquivalent zum Urnenmodell mit Ziehen ohne Zurücklegen. Soll heißen, ich ziehe eine Karte und lege sie nicht wieder zurück, sondern behalte sie ja auf der Hand. Beim ersten Ziehen sind zwei von vier Karten Asse, die Chance auf ein Ass steht also 50:50. Habe ich bereits eine Ass gezogen, ist nur noch eine Ass im Spiel, bei drei Karten. Meine Chance auf ein Ass beträgt also 1/3 und 1/2 * 1/3 ist bekanntlich 1/6.

Was nun, wenn der Spieler mir verrät, dass er mindestens ein Ass auf der Hand hat. Dann steigt die Wahrscheinlichkeit für zwei Asse auf 1/5. Warum nicht 1/3, wo es doch für die zweite Karte drei Möglichkeiten gibt? Würde er nach dem Ziehen der ersten Karte bereits rufen „Eine Ass“ (und nicht bluffen), dann wäre seine Chance auf zwei Asse tatsächlich 1/3. Aber wir wissen nicht, ob nicht die zweite Karte das Ass ist. Wir müssen deshalb anders vorgehen, um die Wahrscheinlichkeit zu bestimmen. Wir schreiben alle möglichen Kombinationen auf, die ja zunächst einmal gleich wahrscheinlich sind.

Lassen wir die zweite Farbe Herz sein, die sechs Kombinationen sind dann (dahinter die Schreibweise für diese Kombination, die ich im Folgenden verwende, große Buchstaben für Ass, kleinen für 2, P für Pik, H für Herz):

Pik Ass & Herz Ass – PH

Pik Ass & Pik 2 – Pp

Pik Ass & Herz 2 – Ph

Herz Ass & Pik 2 – Hp

Herz Ass & Herz 2 – Hh

Pik 2 & Herz 2 – ph

Die Reihenfolge haben wir dabei nicht berücksichtigt, es spielt ja auch keine Rolle ob der Spieler zunächst die Herz Ass und dann die Pik Ass bekommen hat oder umgekehrt.

Fünf der sechs Kombinationen enthalten mindestens ein Ass. Wenn wir jetzt also wissen, dass der Spieler mindestens ein Ass auf der Hand hat, dann können wir die Variante ph ausschließen. Damit bleiben fünf weitere, hat der Spieler also mindestens ein Ass wissen wir, dass er in einem von fünf Fällen zwei Asse auf der Hand hat.

Und hier wird es paradox. Was, wenn er uns nun noch verrät: „Ich habe übrigens eine Pik Ass“. Eigentlich sollte sich die Wahrscheinlichkeit nicht ändern, denn es macht keinen Unterschied, ob er die Pik Ass oder die Herz Ass auf der Hand hat. Aber wenn wir die oben stehende Tabelle betrachten, dann gibt es nur drei Kombinationen mit einem Pik Ass. Und damit wäre unsere Wahrscheinlichkeit für zwei Asse 1/3 – wenn alle drei Varianten gleich wahrscheinlich sind.

Hier bringen die Autoren des Artikels den Satz von Bayes ins Spiel. Wir können aber auch mit einem einfachen Gedankenexperiment zeigen, warum die Wahrscheinlichkeit auch dann bei 1/5 bleibt, wenn uns der Spieler die Farbe verrät. Dazu begeben wir uns aus der Mikro- in die Makroperspektive. Wir verlassen den Spieltisch und betrachten jetzt 6.000 Spieler, die alle dieses Spiel spielen. Wir können erwarten, dass von diesen 6.000 etwa 1.000 zwei Assen haben und 1.000 keine einzige.

Deutsches Skat- und Schafkopfblild
Natürlich ist die Wahrscheinlichkeit die gleiche, wenn man statt einem französischen ein deutsches Bild und statt Pik Grün verwendet.

Wir bitten die Spieler zunächst mitzuteilen, ob sie ein Ass haben. Wer kein Ass hat, darf zum Buffet gehen. Da alle ehrlich sind und die Wahrscheinlichkeit es gut mit uns meint bleiben 5.000 zurück. Nun bitten wir diese, ihrem Gegenüber die Farbe ihres Asses zu verraten, wer zwei Asse hat darf sich eine Farbe aussuchen. Was passiert? Zumindest schränkt sich die Zahl der Spieler nicht ein. Tatsächlich sind auch nach dieser Offenlegung der Farbe noch 5.000 Spieler im Saal, von denen 1.000 ein Ass habe. Also bleibt unsere Wahrscheinlichkeit bei 1/5, auch für die Spieler, denen ihr Gegenüber gerade mitgeteilt hat, dass er einen Pik Ass auf der Hand hat.

Warum das, wenn es doch in diesem Fall nur drei Möglichkeiten gibt? Weil diese nicht gleich wahrscheinlich sind. Wir können erwarten, dass 2.000 Spieler eine Pik Ass und eine der beiden Zweien haben (Kombination Pp + Ph), 2.000 Spieler haben eine der beiden Zweien plus eine Herz Ass (Hp + Hh) und 1.000 Spieler haben beide Asse (PH). Die 1.000 Spieler mit zwei Assen können sich aber aussuchen, welche Farbe sie dem Gegenüber verraten. Gehen wir aus, dass es keine Vorlieben für eine Farbe gibt, dann nennen 500 Pik und 500 Herz. Insgesamt werden als 2.500 Spieler ihrem Gegenüber verraten, sie hätten ein Pik Ass auf der Hand. Von diesen haben 2.000 die Pik Ass plus eine Zwei und 500 beide Asse – also genau ein Fünftel. Denn von den Spieler mit zwei Assen bekennt sich ja nur jeder zweite zu Pik, die einzelnen Situationen kommen deshalb nicht gleich oft vor.

Es gibt allerdings eine Einschränkung. Wenn der Spieler uns nicht verrät, welche Farbe er hat, sondern wir ihn gezielt nach Pik Ass fragen, dann ist die Chance tatsächlich 1/3, wenn er mit ja antwortet. Worin liegt der Unterschied? Dass der Spieler in diesem Fall keine Wahl hat, welche Farbe er uns nennt. Alle 1.000 Spieler mit Pik werden antworten „Ja“. Wir haben also nicht 500 von 2.500, sondern 1.000 von 3.000, die zwei Asse auf der Hand haben.

Warum spielt die Farbe hier eine Rolle, obwohl die Farbe eigentlich keine Rolle spielt? Das wird klarer, wenn wir es umgekehrt denken. Nicht, dass wir alle betrachten, die eine Pik Ass sondern dass wir alle ausschließen, die keine haben. Und damit schließen wir eben nicht nur die aus, die gar kein Ass haben, sondern auch die, die nur ein Herz Ass haben. Gehen wir wieder in den Saal und betrachten die 6.000 Spieler. Schicken wir alle zum Buffet, die keine Pik Ass haben, dann verlassen 3.000 Leute den Saal. Von den verbleibenden 3.000 haben 1.000 beide Asse, also 1/3.

Das erklärt auch, warum es wichtig ist, ob der Spieler uns nach der ersten Karte oder erst nach beiden Karten mitteilt, dass er ein Ass hat. Tut er es bereits nach der ersten Karte, können wir jene 3.000 Spieler ausschließen, die da bereits eine Zwei gezogen haben, andernfalls nur die 1.000, die zwei Zweien haben. Teilt uns der Spieler bereits nach der ersten Karte mit, dass er ein Ass hat spielt es übrigens keine Rolle, ob wir ihn nach der Farbe fragen. So oder so ist eine von drei verbleibenden Karten eine Ass.

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