„Der Kampf um die Welternährung ist entschieden. […] Hunderte von Millionen Menschen werden trotz aller sofort eingeleiteten Hilfsprogramme [aufgrund des Bevölkerungswachstums] verhungern.“ Folge des Hungers werden Krisen sein – und am Ende ein Atomkrieg.1
Diese Vorhersage machte der US-amerikanische Biologe Paul Ralph Ehrlich schon 1968 – für die 1970er Jahre. Ironischerweise ist an dem Bevölkerungswachstum auch ein Namensvetter von ihm beteiligt, nämlich der deutsche Mediziner Paul, der die Chemotherapie mit entwickelte und – zusammen mit Emil Behring – ein Impfserum gegen Diphtherie.
Nun gibt es zwar leider bis heute Hunger in großem Maßstab, die von Ehrlich prognostizierte Katastrophe blieb aber auch. Einmal weil moderne Anbaumethoden und Kunstdünger die Landwirtschaft effektiver machten, weshalb vielen die beiden Erfinder des Haber-Bosch-Verfahrens zur Synthese von Ammoniak als die größten Lebensretter der Menschheitsgeschichte gelten.
Außerdem wächst die Bevölkerung langsamer als noch vor 20 Jahren. Darauf habe ich im Blog ja bereits hingewiesen, allerdings habe ich eine wirklich schöne Grafik gefunden, die vorzustellen sich lohnt.
Projektion der Weltbevölkerung bis 2100
Wer regelmäßig einen Blick auf die wirklich schöne Website Our World in Data wirft, kennt die heute vorgestellte Grafik schon. Es handelt sich um eine Projektion der Weltbevölkerung bis 2100. Allerdings werde ich dazu noch ein paar Worte verlieren, also etwas eigene Interpretation vornehmen.
Zunächst einmal sieht man auf der Grafik gut die Zunahme der Weltbevölkerung. Die jeweilige Gesamtfläche ist die Gesamtbevölkerung, die dunkelblaue Fläche zeigt also die Bevölkerung des Jahres 1950 nach Alter. Bis 2018 ist jede Fläche größer als die vorherige, die Zahl der Menschen nimmt also zu.
Das wird auch noch eine ganze Weile so weitergehen, wenn man der Projektion glaubt. Bis 2100 ist jede „Zwiebel“ größer als die vorherige, die Zahl der Menschen nimmt also zu.
Allerdings fällt bei genauem Hinsehen auf, dass die Zahl der Neugeborenen, also die unterste Zeile, nach der Prognose noch bis 2050 steigen und dann zurückgehen wird. Steigen wird sie übrigens nicht, weil immer mehr Kinder geboren werden, sondern weil es mehr Menschen im jungen Alter gibt, die Kinder bekommen können. Die weltweite Geburtenrate liegt mit 2,5 ungefähr auf dem Niveau vom Deutschland der 1960er Jahre.
Im Jahr 2075 werden – nach der Prognose der UN – etwa wieder so viele Kinder auf die Welt kommen wie 2018, im Jahr 2100 sogar weniger als 1990. Wegen der niedrigeren Kindersterblichkeit und der höheren Geburtenrate die Jahre zuvor wird es aber mehr Kinder geben als 1990 – und sogar mehr als heute. Erst recht steigt die Zahl der Erwachsenen. Die höhere Lebenserwartung spielt auch hier eine Rolle, aber erst recht die hohe Geburtenrate der Jahre zuvor. Die 50-Jährigen des Jahres 2100 sind die Neugeborenen des Jahres 2050 – und die werden nach der Prognose mehr sein als jemals zuvor oder danach.
Wie gut sind die Prognosen
Nun sind Prognosen immer mit großer Unsicherheit behaftet. Allerdings hat man bei der Bevölkerungsprognose im mittelfristigen Bereich zwei Zahlen bereits relativ sicher zur Hand. Für das Jahr 2050 wissen wir heute schon relativ genau, wie viele Menschen über 30 es geben wird – denn die sind ja bereits geboren. Damit hat man auch bereits eine wichtige Zahl für das Abschätzen der Geburten zur Hand, nämlich die jungen Menschen die fortpflanzungsfähig und -willig sind.
Unklar bleibt aber, wie viele Kinder jede Familie bis dahin im Durchschnitt haben wird. Wird die Geburtenrate weiter fallen, vielleicht auch in Afrika bald jene 2,5 Kinder oder weniger erreichen, die wir heute bereits aus asiatischen Schwellenländern wie Indien, Bangladesch oder Malaysia kennen? Immerhin schreitet die Verstädterung auch in Afrika schnell voran.
Oder wird die Bevölkerungszahl sogar wieder steigen? Nicht nur rechte Bewegungen wie der Islamismus könnten dafür sorgen, sondern auch eine Zunahme der Armut oder – ganz profan – eine gleichbleibende Geburtenrate. Hört sich paradox an, dass eine gleichbleibende Fertilitätsrate zu einer höheren Fertilitätsrate führt, ist aber so. Wenn die Zahl der Kinder pro Familie (oder genauer: pro Frau) in jedem Land gleich bleibt, wird die internationale Zahl der Kinder pro Frau steigen. Warum? Weil dann immer mehr Menschen in jenen Ländern mit hoher Geburtenrate leben fallen diese stärker ins Gewicht. Eine Art umgekehrtes Will-Rogers-Phänomen.
Bekommt Ehrlich doch noch Recht?
In jedem Fall wird die Weltbevölkerung noch eine ganze Weile weiter steigen, auch wenn jede einzelne Familie weniger Kinder bekommt. Denn viele Menschen, die 2100 auf der Erde leben werden, sind bereits geboren. Die Geburtenrate müsste schon sehr stark fallen, damit die Zahl der Menschen im Jahr 2100 unter den heutigen liegt.
Bei der Frage wie man darauf reagiert gibt es grob gesprochen zwei Lager, ich nenne sie mal das protestantische und das katholische.
Das „protestantische“ propagiert Buße und Umkehr. Tatsächlich könnte weniger Fleischkonsum die für die Welternährung benötigten Anbauflächen reduzieren. Auch weniger Lebensmittelverschwendung wird immer wieder angemahnt. Allerdings ist ein großer Teil der Verschwendung gesetzlich vorgeschrieben. Beispielsweise müssen Hersteller in großem Umfang Proben zurückbehalten, falls es zu Reklamationen kommt. Diese dürfen erst am Mindesthaltbarkeitsdatum freigegeben werden – und sind dann natürlich abgelaufen. Außerdem hat sich der Export von Lebensmitteln aus der EU in ärmere Länder nicht immer als segensreich erweisen.
Hinzu kommt, dass der protestantische Weg nicht überall auf große Zustimmung stoßen wird. Vor allem nicht bei jenen Menschen, die gerade eben der Armut entkommen sind. Auch jungen Menschen wird es schwer zu erklären sein, warum ihnen der Wohlstand verwehrt bleiben soll den ihre Eltern genossen haben (im Moment sind die jungen Menschen zwar besonders engagiert, ob das aber so bleiben wird, wenn sie älter werden, bleibt abzuwarten).
Der „katholische“ Lager möchte weiter genießen und setzt auf andere Wege. Einer ist beispielsweise eine effizientere Landwirtschaft. Der Greenpeace-Mitbegründer Patrick Moore fordert beispielsweise, entgegen dem offiziellen Standpunkt seiner Institution, die Freigabe des gentechnisch veränderten „Goldenen Reises“, der Millionen von Menschen vor dem Vitamin A Mangel schützen könnte. Andere fordern den Wiedereinstieg in die Atomkraft. Womöglich muss es aber gar nicht so kontrovers sein, auch Solarenergie könnte einen Großteil des Energiehungers stillen, wenn die Speicherung besser funktioniert. Hier gibt es vielversprechende Ansätze, beispielsweise die Speicherung als Gas.
Fazit
Die Bevölkerung steigt weiter, aber nicht so rasant wie bisher. Um die Menschen zu ernähren, ohne die verbliebene Natur völlig zu zerstören, gibt es zwei Wege. Verzicht oder den Einsatz moderner Techniken. Oder auch eine Mischung daraus, weniger Wachstum aber keinen Wohlstandsrückgang. Mein persönlicher Vorschlag: Kürzere Arbeitszeiten bei gleichzeitig weniger Einkommen (und damit auch Konsum) bedeuten nicht weniger Lebensqualität.