Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat festgestellt, dass in Deutschland gegen den Trend weniger Menschen in Heimarbeit erwerbstätig sind (Presseinfo des DIW dazu hier). Demnach arbeiteten im Jahr 2012 rund zwölf Prozent der Erwerbstätigen ganz, überwiegend oder gelegentlich von zuhause aus. Das sind mit 4,7 Millionen rund 800.000 weniger als noch vier Jahre zuvor, während der Anteil der Heimarbeiter in den anderen Ländern gestiegen ist.

Heimarbeit
Heimarbeit anno 1924. Foto: Wikipedia

„Arbeitsmarktexperte“ Karl Brenke erklärt dazu, er könne sich die Entwicklung nicht erklären. Da ich den Beitrag als Kommentar gekennzeichnet habe, erlaube ich mir die böse Bemerkung, dass mich die Tatsache, dass Herr Brenke die Entwicklung nicht erklären kann, nicht besonders wundert, was aber nicht heißt, dass es nicht eine naheliegende Erklärung gibt.

Wie auch das DIW einräumt, ist ein hoher Anteil der Heimarbeiter selbständig. Vor allem die Solo-Selbständigen, also Einzelkämpfer ohne Angestellte und Partner, arbeiten von zuhause aus. Gerade die sind aber oft nicht freiwillig selbständig. Das zeigt sich auch an der Entwicklung der Existenzgründungen. Deren Zahl sind regelmäßig mit besseren Arbeitsmarktchancen. Auch Lehrer und andere öffentliche Angestellte arbeiten oft zumindest teilweise von daheim.

Die Erklärung für die unterschiedliche Entwicklung in Deutschland und dem Rest Europas ist also ganz einfach. Es ist die Arbeitsmarktentwicklung. Weniger unfreiwillige Selbständige bedeutet auch weniger Heimarbeiter. Zwar ist auch der Anteil der Telearbeiter innerhalb der Angestellten und der Selbständigen gesunken, doch auch das ist wenig überraschend. Denn das Beschäftigungsplus geht nicht auf mehr Lehrer zurück, sondern auf andere Berufsgruppen, die seltener daheim arbeiten. Und unfreiwillig Selbständige, die oft kaum ein eigenes Einkommen haben, mieten sich seltener ein Büro als Existenzgründer, die sich mit einer neuen Idee freiwillig selbständig machen. Am erstaunlichsten ist, dass auch Selbständige mit Mitarbeitern seltener von daheim arbeiten, aber hier müsste man mal die Entwicklung der finanziellen Situation und die Zahl der Mitarbeiter ansehen, denn Selbständiger mit Mitarbeitern ist nicht gleich Selbständiger mit Mitarbeitern. Es ist ein Unterschied, ob man eine 450-Euro Kraft oder vier Leute beschäftigt.

Das DIW schreibt dazu noch etwas unverständlich, dass „der Heimarbeiter-Anteil unter den Selbständigen nach seinem Höhepunkt im Jahr 2008 wieder auf das Niveau von 1992 gefallen [ist] – obwohl die Beschäftigung in Deutschland zugenommen hat.“ Nicht obwohl, sondern weil! Warum ein Anstieg der Beschäftigung den Heimarbeiter-Anteil steigen lassen soll, weiß vermutlich auch nur das DIW. Vermutlich hat man dort einfach Absolut- und Prozentwerte durcheinander gebracht.

Recht geben möchte ich Herrn Brenke nur in einem Punkt, nämlich dem im Vergleich zu anderen Ländern wie der Schweiz, Skandinavien oder Frankreich niedrigeren Anteil an Heimarbeitern. Denn dort ist der Arbeitsmarkt ebenfalls stabil oder sogar noch besser als hierzulande. Hier könnten unter Umständen tatsächlich andere Faktoren wie eine Präsenzkultur in den Unternehmen eine Rolle spielen.