Weil die Frage nach den Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die Selbstmorde kam, habe ich noch mal neuere Daten gesucht und den Fokus mal etwas mehr auf andere Länder gelegt.
Vorneweg ist zu sagen, dass Ländervergleiche bei Selbstmorden sehr schwer sind. Einerseits werden Todesfälle nicht in allen Ländern gleich gut untersucht. Zweitens wird in Ländern, in denen Selbstmord tabuisiert wird, mancher Selbstmord als vertuscht, um „Schande“ von der Familie fernzuhalten. Die geringste Zahl an offiziell registrierten Selbstmorden hat in der OECD übrigens Griechenland mit 3,2 pro 100.000 Einwohner. Das einzige mir bekannte Land mit einer niedrigeren offiziellen Selbstmordzahl ist Südafrika mit 0,8. In wie weit diese bekannten Selbstmorde aber die tatsächliche Zahl widerspiegeln, ist mir nicht bekannt.
Auffällig ist, dass sich in allen untersuchten Ländern Männer deutlich häufiger umbringen als Frauen. Schlusslicht ist Polen, wo sich Männer 7,3 Mal so häufig umbringen wie Frauen. Deutschland liegt mit 3,4 etwas unter dem Schnitt. Am ausgeglichensten ist das Verhältnis in Korea. Das liegt allerdings an den vielen Selbstmorden von Frauen in dem Land, denn das Land hat bei beiden Geschlechtern die höchste Selbstmordquote – bei den Frauen nur mit etwas mehr Abstand.
Nun aber zur Frage nach der Entwicklung seit dem Beginn der Finanzkrise. Leider liegen für Italien keine Daten vor, hier gab es einen Zeitreihenbruch, so dass neuer nicht mit den älteren Werten vergleichbar sind. Ohnehin habe ich in den OECD Zahlen von 2012 nur Daten bis 2010 gefunden, für die USA und Griechenland sogar nur bis 2009.
Tatsächlich nimmt in den Krisenländern die Zahl der Selbstmorde seit 2007 zu. In Spanien sinkt sie erstaunlicherweise 2010 wieder. Eine Erklärung dafür habe ich in dem OECD-Bericht leider nicht gefunden.
Ohnehin sollte man aber vorsichtig sein. Denn anders als oft angenommen sind Selbstmorde nicht unbedingt eine Reaktion auf Krisen, weder persönlich noch wirtschaftlich, sondern oft einer psychischen Erkrankung.
Danke für die erneuten Ausführungen – das ist wirklich interessant! Es wäre toll, wenn der OECD-Bericht auch Erklärungen vorlegen würde, aber das ist wohl nicht Sinn des Berichts, der soll wohl nur nackte Zahlen zeigen. Auch okay, denn einiges lässt sich ja so ableiten.
Die Entwicklung in Spanien ist ja interessant! Nach deinem letzten Beitrag habe ich auch noch etwas recherchiert und fand ähnliches – das deckt sich auch mit deinem letzten Absatz: Die meisten, die Selbstmord begingen, hatten schon vor der Krise psychische Probleme infolge von wirtschaftlichen Problemen. Die Krise ist also das berühmte I-Tüpfelchen. Irgendwann scheint es für diese Menschen keinen anderen Ausweg mehr zu geben – schade, denn wir sind ja medizinisch schon weit genug, um mit psychischen Problemen zurechtzukommen. Aber da ist ja selbst Deutschland noch schwach: Während es in den USA normal ist, einen Therapeuten zu haben, schämt man sich hierzulande. Die „Schande“, die du im 2. Absatz ansprichst, kann ein Grund dafür sein, dass man die Angebote nicht oder zu selten nutzt.