Nach so vielen ernsten Themen wie Arbeitslosigkeit, Ökonomisierung und Lohnentwicklung habe ich für heute mal wieder ein Thema aus der Kategorie „Unnützes Wissen“ vorgesehen.
Es geht diesmal um Sprachen, genauer gesagt um Sprachfamilien. Es geht also nicht um Sprachen wie Deutsch, Englisch oder Lingála (wird vor allem im Kongo gesprochen), auch nicht um Sprachzweige wie die Romanischen oder Germanischen Sprachen, sondern die großen Familien, deren größte bekanntlich die Indogermanische Sprachfamilie ist. Doch halt, auf Platz 1 landet unsere Sprachfamilie nur, wenn man die Zahl der Sprecher betrachtet – und damit sind wir schon mitten im Thema.
Viele Niger-Kongo-Sprachen
Denn die Sprachfamilie mit den meisten Sprachen ist Niger-Kongo mit 1.364 lebenden Sprachen – gegenüber 220 indogermanischen Sprachen. Bei den Sprechern landet Niger-Kongo zu meiner Überraschung mit 354 Millionen auf Platz drei. Mehr Menschen sprechen neben den indogermanischen (rund 3 Milliarden Menschen) nur die sinotibetischen Sprachen (rund 1,3 Millionen). Auf Platz vier folgen die afroasiatischen Sprachen, die ich auf Platz drei vermutet hätte. Denn dazu zählen die semitischen Sprachen mit dem Hebräischen und Arabischen. Auf diesen Zwei entfallen auch 260 der 350 Millionen Sprecher, andere Sprachzweige wie das Omotische (Äthiopien, Sudan) sind weniger verbreitet, die Ägyptischen Sprachen sind sogar fast ausgestorben. Einst die Sprachen des alten Ägypten wurden sie nach der Islamisierung nach und nach verdrängt. Bis ins 19. Jahrhundert wurden sie wohl noch lokal gesprochen, heute hat dieser Sprachzweig nur in der Liturgie der koptischen Christen überlebt. Möglich, dass er angesichts der Verfolgung dieser Minderheit bald auch verschwunden ist (wobei es auch Exil-Kopten gibt). Angeblich gibt es sogar einen Trend unter jungen Kopten, das zum Ägyptischen gehörende Kotisch wieder zu lernen, allerdings wird das nicht erfasst, da Fremdsprachenkenntnisse nicht gezählt werden.
Viele Sprachen ist nicht viele Sprecher
Auch sonst scheint es, dass viele Sprachen nicht viele Sprecher bedeutet. Es scheint, dass es dort viele Sprachen in einer Familie gibt, wo diese zwar einerseits gemeinsame Wurzeln haben (sonst würden sie nicht der gleichen Familie angehören), dann aber wenig Austausch zwischen den Regionen herrschte und eine starke Zentralmacht fehlte (sonst gäbe es weniger Sprachen). Auch wenn ich kein Sprachwissenschaftler bin und mich deshalb nicht zu weit mit Erklärungen aus dem Fenster lehnen will. Das Austronesische beispielsweise umfasst mit 1.119 lebenden Sprachen die zweitgrößte Sprachenfamilie nach Zahl der Sprachen. Sie ist vor allem auf vielen Inseln im Raum Ostafrika-Ozeanien-Südostasien verbreitet.
Ähnliches gilt auch für die Nummer drei der Sprachfamilien, das Tans-Neuguinea mit 530 Sprachen, aber nur 3,2 Millionen Sprechern. Durchschnittlich wird dort jede Sprache also nur von rund 6.000 Menschen gesprochen. Das dürfte bedeuten, dass einige Sprachen sogar nur noch sehr wenige Sprecher haben.
Viele Sprecher, wenige Sprachen
Das Gegenstück dazu findet man vor allem in Nordost-Asien. Die Sprachfamilie Japanisch-Ryūkyū umfasst nur fünf Sprachen, wird aber von 126 Menschen gesprochen. Davon entfallen übrigens 125 auf eine einzige Sprache, nämlich das Japanische, die vier übrigen Ryūkyū-Sprachen teilen sich die übrige eine Millionen Sprecher. Eine Besonderheit ist auch das Koreanische. Es ist nämlich eine isolierte Sprache. Isolierte Sprachen gehören keiner Sprachfamilie an, man könnte auch sagen, sie sind eine eigene Sprachfamilie.
Auch in Europa gibt es isolierte Sprachen wie das Basikische, aber sämtliche isolierte Sprachen außerdem Koreanischen haben weniger als eine Million Sprecher. Koreanisch haben dagegen 78 Millionen Menschen als Muttersprache.
Bringt uns das Deutschen jetzt Vorteile, wenn so viele Menschen Sprachen aus unserer Sprachfamilie sprechen? Zunächst profitieren wir natürlich davon, dass mit dem Englischen eine mit dem Deutschen sehr eng verwandte (westgermanische) Sprache weltweit Verkehrssprache ist. Ob man die zum indogermanischen gehörende afghanische Sprache Zemiaki aber wirklich leichter lernt als das sino-tibetische Hochchinesische kann ich nicht beurteilen. Es würde sich im genannten Beispiel auch kaum lohnen, die Sprache wird von weniger als 1.000 Menschen gesprochen.