Die Statistik zum Ausbildungsstellenmarkt ist gar nicht so einfach zu lesen. Laut den Eckwerten zum Ausbildungsmarkt der Bundesagentur für Arbeit sind aktuell von 511.799 Bewerberinnen und Bewerbern nur noch 24.525 unversorgt, also lediglich 4,8 Prozent. 95,2 Prozent sind also bereits versorgt, obwohl das neue Ausbildungsjahr erst im September beginnt. Diesen Bewerbenden stehen 53.317 Stellen gegenüber, also mehr zwei pro Person.
Halt, sagen da die Gewerkschaften und Verbände. Nur 49.702 Interessierte haben bereits einen Ausbildungsplatz gefunden, das sind gerade mal 15,9 Prozent.
Wer hat recht?
Demographischer Wandel verbessert Bewerberchancen
Zugegeben ist es um das Thema Ausbildungsmarkt etwas stiller geworden. Denn selbst nach der zweiten Rechnung sind zwar 263.699 (ehemalige) Bewerber und Bewerberinnen noch ohne Ausbildungsplatz, es warten aber noch 440.790 betriebliche Ausbildungsstellen auf sie, außerdem noch 2.417 außerbetriebliche.
Der Grund dafür sind auch die sinkende Zahl an Bewerbungen, teils wegen sinkender Geburten, teils wegen des Trends zu akademischen Abschlüssen. Die heute 16-Jährigen wurden um 2006 geboren, damals gab es die niedrigste Geburtenzahl seit der Wiedervereinigung.
Natürlich werden am Ende dennoch einige Bewerbende leer ausgehen, sei es, weil sie entweder nicht den gewünschten Beruf gefunden haben, nicht umziehen wollen oder sie nicht den Vorstellungen der Unternehmen entsprechen.
Insgesamt aber, das würden vermutlich auch die Gewerkschaften so sehen, ist die Situation für die Bewerbenden heute deutlich angenehmer als vor zehn oder 20 Jahren.
Die Frage nach den unterschiedlichen Interpretationen bleibt
Trotzdem bleibt die Frage, warum die Zahlen so unterschiedlich ausfallen. Dafür müssen wir uns die genauere Ausbildungsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit ansehen. Dabei stellen wir fest, dass es insgesamt vier verschiedene Unterkategorien für die Bewerberinnen und Bewerber gibt, nämlich
- unversorgte Bewerber,
- Bewerber mit Alternative,
- einmündende Bewerber (also solche mit Ausbildungsstelle) und
- sonstige ehemalige Bewerber.
Die ersten beiden Kategorien umfassen aktive Bewerberinnen und Bewerber, die zweite ehemalige Bewerber.
Unversorgt sind alle, die noch eine Ausbildungsstelle suchen und auch keine Alternative haben.
Die Bewerberinnen und Bewerber mit Alternative sind solche, die weiterhin auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle sind, aber schon einen Plan B haben. Dieser Plan B kann sogar eine Ausbildungsstelle sein, aber bisher nicht die gewünschte oder nicht beim gewünschten Unternehmen. Oft ist es eine schulische Ausbildung, manchmal ein Studium oder auch ein Arbeitsplatz.
Einmündende Bewerberinnen und Bewerber haben eine Ausbildungsstelle und sind deshalb nicht mehr auf der Suche.
Auch andere ehemalige Bewerber suchen nicht mehr nach einer Stelle, sie wurden aber auch nicht auf eine Ausbildungsstelle vermittelt. Möglicherweise haben sie sich entschieden, doch keine Ausbildung zu machen, sondern zu studieren oder weiter zur Schule zu gehen. Meistens weiß man über diese Gruppe aber gar nichts. Einige haben eine Ausbildungsstelle gefunden und melden sich daher einfach nicht mehr bei der Agentur für Arbeit.
Die Arbeitsmarktstatistik funktioniert also anders, als die meisten anderen Statistiken. Wer nicht mehr arbeitslos ist, wird im kommenden Monat in der Arbeitslosenstatistik nicht mehr geführt. Er oder sie taucht nur noch in der Bewegungsstatistik als Abgang aus Arbeitslosigkeit auf.
Das ist in der Ausbildungsmarktstatistik anders. Wer sich im laufenden Ausbildungsjahr einmal als Bewerber oder Bewerberin gemeldet hat, wird zunächst weiter in der Statistik geführt. Hat er oder sie einen Ausbildungsplatz gefunden, als einmündend, wurde die Bewerbung aus anderen Gründen abgebrochen als andere ehemalige Bewerber. Erst wenn im nächsten Jahr die Ausbildungsmarktstatistik für das nächste Ausbildungsjahr begonnen wird, werden die Daten auf null gesetzt. Natürlich kann ich mich erneut bewerben und gehe dann wieder in die Statistik ein.
Wie viele Bewerberinnen und Bewerber gibt es je Stelle?
Deswegen ist in meinen Augen die aussagekräftigste Relation von Stellen zu Bewerbern weder die offizielle, bei der unversorgte Bewerber und noch offene Stellen gegenübergestellt werden, noch jene, bei der alle nicht einmündenden Bewerber betrachtet werden.
Denn auch die anderen ehemaligen Bewerberinnen und Bewerber suchen ja keine Stelle mehr. Oft, weil sie eine bessere Alternative haben. Natürlich gibt es in dieser Gruppe auch jene, die einfach die Hoffnung aufgegeben haben oder aus anderen Gründen ihre Termine bei der Agentur für Arbeit nicht wahrnehmen und deshalb aus der Datenbank abgemeldet werden. Aber ohnehin kennen wir nur einen kleinen Teil der Bewerberseite und auch nur einen Teil der Angebotsseite. Viele Stellen und auch viele Bewerbungen laufen an der Agentur für Arbeit vorbei.
Die Daten im Licht dieser Statistik
Auf unsere aktuelle Statistik übertragen bedeutet das, dass von 313.401 Menschen, die sich im laufenden Ausbildungsjahr irgendwann mal bei der Bundesagentur für Arbeit, einem Jobcenter oder einem kommunalen Arbeitsamt als Ausbildungssuchende haben registrieren lassen, noch 216.647 auf der Suche ist. 49.702 haben eine Ausbildungsstelle gefunden und suchen deshalb nicht mehr weiter. Weitere 47.052 haben aus anderen Gründen die Suche eingestellt – oder suchen zumindest nicht mehr über die Bundesagentur für Arbeit.
Somit stehen rein rechnerisch jedem und jeder noch Suchenden 1,37 Stellen zur Verfügung. Das ist deutlich mehr als im vergangenen Jahr oder vor zwei Jahren, allerdings auch deshalb, weil 15,0 Prozent weniger Menschen einen Ausbildungsplatz suchen als vor zwei Jahren. Gegenüber dem Vorjahresmonat beträgt das Minus 2,9 Prozent.
Die Zahl der Stellen liegt deutlich höher als 2021 (+6,7 Prozent), aber etwas niedriger als vor zwei Jahren (-0,8 Prozent). Die Zahl derer, die bereits eine Ausbildungsstelle gefunden haben und deshalb nicht mehr suchen, liegt dagegen deutlich niedriger als im vergangenen Jahr (-2,4 Prozent). Gegenüber dem Jahr 2020 beträgt das Minus sogar 25,2 Prozent, also rund ein Viertel.
Trotz weniger gemeldeten Stellen als 2020 sind mehr noch unbesetzt. Entweder warten viele Firmen noch ab, oder das Matching funktioniert schlechter.
Mehr Friseure und mehr Berufskraftfahrerinnen
Nach Geschlecht verschiedene Schwerpunkte gibt es bei der Ausbildungswahl nach wie vor, allerdings gibt es zumindest in einigen Branchen eine Angleichung. Das behauptet zumindest das Statistische Bundesamt. Dieses wertet nicht Bewerbungen aus, sondern abgeschlossene Ausbildungsverträge. Allerdings sind die Daten daher etwas älter als bei der Bundesagentur für Arbeit, sie beziehen sich auf das Jahr 2020.
So stieg die Zahl der Bewerberinnen für die Ausbildung zur Berufskraftfahrerin deutlich an, der Frauenanteil lag 2020 bei rund 10 Prozent, im Jahr 2010 waren es nur 3 Prozent gewesen. Etwas schwächer war der Anstieg bei den Schreinern, dort waren 15 Prozent der Lehrlinge weiblich, nach 10 Prozent vor zehn Jahren.
Analog dazu stieg der Männeranteil bei den Friseuren von 12 Prozent auf beachtliche 31 Prozent. Obwohl das Verhältnis im Einzelhandel schon immer recht ausgeglichen war, schloss sich die Schere weiter. Statt 56:44 betrug das Verhältnis jetzt 52:48. Zusätzlich hat sich das Verhältnis hier gedreht, vor 10 Jahren war die Mehrheit weiblich (damals 56 Prozent), heute ist sie männlich (52 Prozent.
Guten Tag!
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Mit freundlichen Grüßen,
Simon