Vor kurzem hat die UNICEF eine Studie zur Situation der Kinder in Deutschland vorgelegt. Demnach schneiden deutsche Kinder zwar beim subjektiven Empfinden gut ab, sie rauchen seltener als früher, werden seltener schon als Jugendliche schwanger und kiffen weniger. Trotzdem sind sie seltener zufrieden als die Kinder in anderen Nationen, im Ranking sind sie sogar deutlich abgerutscht. „Leistungsstark, aber unglücklich?“, fragt die UNICEF und mitunter lässt sie das Fragezeichen auch gleich weg.
Politiker, Medien und Wissenschaftler haben sich daraufhin einen Wettstreit um die besten Ideen geliefert. Doch die These stimmt von den unglücklichen Jugendlichen lässt sich statistisch gar nicht halten, wie die Süddeutsche Zeitung schon am vergangenen Freitag berichtete. Leider ist der Artikel nicht frei zugänglich, deshalb kann ich ihn hier nicht verlinken.
Um es kurz zu machen: Die These ist in zweierlei Hinsicht mehr als fraglich. Zum einen sind sechs von sieben Jugendlichen zufrieden. Die UNICEF setzt zwar hinter ihr „Leistungsstark, aber unglücklich?“ ein Fragezeichen, nimmt aber dabei bewusst in Kauf, dass das schnell übersehen wird.
Das zweite Problem ist kein sprachliches, sondern ein statistisches. Im mittleren Bereich liegen die Nationen eng zusammen – so eng, dass die Aussagekraft der genauen Position gering ist. Hätte von 50Befragten nur einer mehr Zufriedenheit bekundet, läge Deutschland im oberen Bereich.
Im UNICEF-Bericht greift man deshalb zu einem grafischen Trick: Man schneidet die Achse ab. Statt bei 0 beginn sie bei 70. Ich habe hier die Länder aus dem Mittelfeld mal dargestellt, ohne die Achse abzuschneiden.
Ich will damit nicht behauptet, dass alles in Ordnung sei. Für Kinder und Jugendliche wird das Leben in Deutschland immer schwieriger, je weniger es gibt. Schon heute sind sie Exoten und stehen damit unter ständiger Beobachtung und stören zunehmen in einer alternden Gesellschaft. Doch das rechtfertigt keine falschen Interpretationen von Statistiken.
Ein großes Lob dagegen an den verantwortlichen Journalisten der SZ. Ich kritisiere ja gerne Berichte in Medien, doch hier haben zumindest einige Journalisten bessere Arbeit geleistet als mancher Wissenschaftler.
in Kiel bewegt sich die Geburtenrate meines Wissens bei 1,1. Mit Ausnahme vom Stadtteil Kiel-Gaarden, der ein sozialer Brennpunkt ist und wo die bildungsferneren Familien und Migrantenfamilien vor allem leben.
Hallo Moin, ich habe noch mal recherchiert. Tatsächlich ist der Berliner Bezirk mit den meisten unter 15-Jährigen Neukölln. Immerhin bei den 0 bis 6-Jährigen liegt Pankow, zu dem ja der Prenzlauer Berg gehört, mit 6,5 Prozent vorne. Die Geburtentrate ist aber mit der hohen Zahl junger Menschen zum großen Teil erklärbar und keineswegs sensationell.
Hallo Moin, wenn Du mal zählst wirst Du feststellen, dass der Anteil der Kinder auch in den Städten ziemlich gering ist. Die Städte sind nun mal allgemein voll mit Leuten, darunter auch Kinder.
Der „Babyboom“ am Prenzlauer Berg ist in Relation zur Bevölkerung im relevanten Alter bestenfalls lächerlich.
Die niedrige Zahl Geburtenzahl von 1,34 ist – wie im Blogbeitrag zur tempobereinigten Fertilitätsratenachlesbar – vorläufig. Die Kohortenfertilität, also die Zahl der Kinder pro Frau in einer bestimmten Alterskohorte, wird erst als endgültig betrachtet, wenn die Frauen 50 sind. Eine Rate von mehr als 1,4 ist aber nicht zu erwarten.
Falsch ist übrigens auch der Verdacht, dass dort besonders viele Kinder geboren werden, „wo das Geld wohnt“. Vielmehr gibt es in Deutschland zwei Gruppen, die überdurchschnittlich viele Kinder haben. Die ganz Reichen, aber auch die Armen. Die Mittelschicht, darunter auch die gehobene und obere Mittelschicht, hält sich dagegen sehr zurück. Nachdem es deutlich mehr Arme als ganz Reiche gibt, werden Kinder vor allem in Gegenden mit niedrigem Einkommensniveau geboren.
Kinder sind Exoten?? Die Städte sind doch voll damit? Ich seh noch genug davon.
Vielleicht im ländlichen Raum — da sollen die um 30% zurückgehen, aber in vielen Städten sieht es doch gut aus — dort, wo das Geld wohnt, z.B. prenzelberg Berlin mit seinem Babyboom.
ich dachte Frauen bekommen insgesamt statt 1,34 doch 1,65 oder so ähnlich? Die niedrigere Zahl 1,34 stimmt doch nicht.
Ja sehr gute geschichte. Sehr Hilfsreich. Danke