Die Korruptionsbekämpfer von Transparency International haben heute (3. Dezember) ihren neuen Überblick über die wahrgenommene Korruption veröffentlich. Unter den Top 15 sind weiterhin neben Japan, Kanada, Singapur und Neuseeland ausschließlich europäische Länder. Vor allem aufsteigende Schwellenländer steigen dagegen ab. Nun will ich meine Leser nicht mit Nachrichten behelligen, die sie in jedem Nachrichtenportal finden können. Stattdessen möchte ich ein paar statistische Daten nachschieben und eine alternative Erklärung bieten, warum ausgerechnet aufsteigende Länder wie die Volksrepublik China und Angola zu den Verlierern beim Korruptionsindex gehören.
Wie misst man Korruption?
Dazu muss man wissen, dass Korruption logischerweise schwer zu messen ist. Transparency International behilft sich deshalb mit der Korruptionswahrnehmung, es werden also die Bürger befragt, für wie korrupt sie ihr Land halten. Das ist prinzipiell kein schlechtes Vorgehen, zweifelsohne haben die Bürger ein Gespür für den Grad der Korruption in ihrem Land, sonst würde eine Nation mit einem hohen Nörgleranteil wie Deutschland nicht so gut dastehen (Platz 12 von 174).
Aber natürlich spielen hier auch andere Faktoren eine Rolle, beispielsweise wie intensiv Medien über Skandale berichten. In kleinen Ländern vertrauen sich die Menschen tendenziell stärker gegenseitig und die Dänen besitzen angeblich ohnehin das Glücksgen, das womöglich auch über Korruptionssorgen hinweghilft.
China steigt ab
Wenn nun also viele Kommentare das schlechte Abschneiden Chinas und Angolas auf eine steigende Korruption schieben, dann ist das nicht gesagt. Die Volksrepublik China hat nämlich deutlich verloren, statt 40 erhält das Land nur noch 36 Punkte und landet genau auf Platz 99 (genauer gesagt sogar auf Platz 100, ich aber hier aber nur Länder berücksichtigt, für die für alle drei Jahre 2014, 2013 und 2012 Daten vorliegen, damit fallen Samoa und Südsudan raus). Damit ist das Land nicht nur deutlich schlechter als die Republik China auf Taiwan, die auf Platz 35 landet, sondern auch zwölf Plätze schlechter als vor einem und vor zwei Jahren.
Das Ölreiche Angola verliert ebenfalls vier Punkte und gehört auf Platz 160 nach wie vor zum letzten Viertel, ist aber dem Schluss gleich neun Plätze näher gerückt.
Ich habe zwei Vermutungen getestet, nämlich eine, dass die Wahrnehmung von Korruption weltweit steigt und damit also die durchschnittliche Punktezahl sinkt. Außerdem die, dass die Kluft zwischen Ländern mit hoher und niedriger Punktezahl wächst. Beides stimmt allerdings nicht, das arithmetische Mittel liegt mit 43,3 Punkten sogar etwas höher als in den Vorjahren (2013: 42,7; 2012: 43,2), der Median liegt jetzt bei 43,0 statt bei 42,4 (2013) beziehungsweise 42,9 (2012). Es hat sich also nicht viel geändert.
Die Standardabweichung als Wert zur Messung der Streuung liegt wie im Vorjahr bei 19,7, gegenüber 2012 hat sie sich um 0,1 erhöht, doch das ist nicht der Rede wert. Durchschnittlich beträgt die Punktezahl des schlechtesten Viertels rund 30 Prozent der des besten Viertels. Es lässt sich also weder eine allgemeine Verschlechterung noch ein Auseinanderdriften feststellen.
Steigt nur die Sensibilität
Aber warum sind China und Angola so abgestürzt? Die Erklärung der meisten Kommentatoren ist, dass bei hohen Wachstumsraten die Aufsichtsbehörden weniger genau hinsehen und die Korruption steigt. Es wäre aber noch eine andere Erklärung denkbar, nämlich eine steigende Sensibilität durch das Herausbilden einer besser informierten Mittelschicht. Oft profitiert die Oberschicht von der Korruption, die Unterschicht leidet, aber arrangiert sich nach dem Motto: „Ihr tut so, als würdet ihr uns fair verwalten und wir tun so, als würden wir eure Gesetze respektieren“. Das ist natürlich etwas holzschnittartig und schwarz-weiß, in der Tendenz aber vermutlich richtig.
Möglich ist natürlich auch, dass beide Erklärungen zutreffen, ich würde aber die letztgenannte für die bedeutendere halten. Denn gerade Angola war, wenn man die Berichte der Einheimischen liest, schon immer hochgradig korrupt.