Das Thema Einwanderung bewegt die Deutschen. Das Thema Auswanderung bewegt zumindest das Privatfernsehen. Dort gibt es Auswanderersendungen wie „Goodbye Germany“. Die Menschen dort haben genug von Deutschland und ziehen nach Australien, Kanada oder in die USA.
Die Realität sieht etwas anders aus. Wer auswandert, geht besonders gerne nach Polen. Es folgen Rumänien, Bulgarien und Ungarn. Erst dann kommt mit Italien ein Land, das auf der Sehnsuchtsskala der Deutschen recht weit oben steht. Das geht aus der Wanderungsstatistik des Statistischen Bundesamtes hervor.
Der Abstand zwischen Polen und Italien ist allerdings riesig. Ins östliche Nachbarland gehen fast viermal so viele Menschen wie nach Italien oder das traditionelle Auswandererland USA. Die Vereinigten Staaten haben ihren Status als Zielland allerdings schon lange verloren. Nicht nur wegen der strengeren Einreisebestimmungen oder der Abneigung gegen die USA in weiten Teilen der Bevölkerung, sondern schlicht wegen des geringen Unterschieds im Wohlstand. Wer im 19. Jahrhundert nach Nordamerika auswanderte hoffte oft darauf, dort eine kleine Farm zu bekommen, während er in Deutschland womöglich als zweiter Sohne bei der Landvergabe leer ausging. Oder im real teilenden Süden und Westen nur ein winziges Stückchen Land besaß. Heute lohnt sich die Auswanderung maximal noch für gute Sportler, erfolgreiche Programmierer oder andere „Superstars“.
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista
Allerdings sind es nicht die Deutschen, die es in Scharen nach Polen zieht, auch wenn es dort viele schöne Landstriche geben mag. Es handelt sich auch nicht um einen Exodus von langjährig in Deutschland lebenden Polen, die alle vom Heimweh erfasst wurden. Die meisten der Auswanderer sind erst kurz zuvor eingewandert.
Um als Auswanderer in der Statistik aufzutauchen, müssen sie nur eine Bedingung erfüllen, sie müssen sich bei den Meldebehörden angemeldet haben. Ist das der Fall, werden sie bei der Abmeldung auch als Auswanderer gezählt, egal wie lange sie in Deutschland waren. Ein Student aus Kattowitz, der für ein Semester in Deutschland war, gilt bei seiner Ausreise als Auswanderer – wenn er sich bei der Meldebehörde angemeldet hat. Gleiches gilt für Arbeitskräfte, die für kurze Zeit in Deutschland sind.
Polen und Rumänen sind dementsprechend auch bei der Einwanderung die größten Gruppen von allen EU-Bürgern, aus beiden Ländern kamen 2014 mehr als 190.000 Menschen, vergleichen mit rund 23.000 aus dem westlichen Nachbarn Frankreich. Nur in Richtung Dänemark, Schweden, Österreich und Malte verließen übrigens mehr Menschen Deutschland als Zuzogen. Selbst aus dem reichen Luxemburg gab es mehr Zuzüge, dabei dürften aber auch viele Pendler enthalten sein, die weiterhin in Luxemburg arbeiten, aber sich in Deutschland ein Haus gekauft haben.
So gesehen ist auch die Spiegel-Online-Schlagzeile „Deutschland ist ein Auswanderungsland“ mit Vorsicht zu interpretieren. Dort heißt es „Jedes Jahr wandern mehr deutsche Staatsangehörige aus als nach Deutschland zurückkehren“. Stimmt, die Betonung liegt dabei aber auf „deutsche Staatsbürger“. 2015 wanderten rund 1,1 Millionen Menschen mehr nach Deutschland ein als von dort aus.
Dabei ist das Muster einfach: Ausländer wandern häufiger ein als aus, deutsche Staatsbürger häufiger aus als ein. Das ist keineswegs so bemerkenswert wie Spiegel Online den Anschein erweckt, sondern eigentlich das statistisch zu erwartende Ergebnis. Es gibt in Deutschland schlicht mehr Deutsche, die auswandern können als Deutsche im Ausland, die einwandern könnten. Hinzu kommt, dass nicht jeder deutsche Staatsbürger im Ausland, der in ein anderes Land umzieht, automatisch nach Deutschland kommt. Umgekehrt gilt das für Ausländer.
Dass bis 2006 trotzdem mehr Deutsche aus dem Ausland nach Deutschland kamen als umgekehrt, lag an den zahlreichen Aussiedlern, die ja als deutsche Staatsbürger gelten. Grundsätzlich ist ein Rückkehrerüberschuss aus den genannten Gründen eher die Ausnahme als die Regel. Wenn Spiegel Online also feststellt, dass zwischen 2009 und 2013 jährlich im Schnitt 25.000 Deutsche mehr aus- als einwanderten, dann müsste man eher sagen: „Nur?“
Hallo, da kann ich ausnahmsweise mal nicht zustimmen. Das würde ja bedeuten, dass die Mehrzahl der Einwanderer nicht mehr als Einwanderer zählt – denn natürlich haben sie keinen deutschen Pass. Das würde zu einem verzerrten Bild führen, so wie es Spiegel Online darstellt. Dann gäbe es natürlich einen Auswandererüberschuss.
Zudem unterscheidet die Statistik ja zwischen deutschen und ausländischen Wanderern. Leider habe ich keine Daten gefunden, die die Zielländer nur für deutsche Staatsbürger aufgliedert. Damit lies sich dann sicher besser beantworten, was das bevorzugte Auswanderungsland der Deutschen ist.
Ein Student aus Kattowitz, der für ein Semester in Deutschland war, gilt bei seiner Ausreise als Auswanderer – wenn er sich bei der Meldebehörde angemeldet hat. Gleiches gilt für Arbeitskräfte, die für kurze Zeit in Deutschland sind.
Das scheint mir aber ziemlich sinnlos zu sein – solche Leute sollten eigentlich weder als Ein- noch als Auswanderer gelten. Ein deutscher Pass sollte schon im Spiel sein, um diese Kriterien zu erfüllen.