Die Wahl in Thüringen hat viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Ziemlich unglaublich ist das Zittern der FDP um den Einzug in den Landtag. Es wäre erst der dritte seit Bestehen des Landes, nur 1990 und 2009 gelang das bisher. Aber laut vorläufigem Ergebnis sind die Freidemokraten gerade Mal fünf Stimmen über der Grenze, das kann sich noch ändern, wenn vermutlich am Montag das amtliche Endergebnis verkündet wird.

Zunächst einmal etwas Positives zur Landtagswahl in Thüringen: Die Wahlbeteiligung lag mit 64,9 Prozent so hoch wie seit 1994 nicht mehr. Bei den Wahlen 1990 und 1994 hatte die Quote noch über 70 Prozent gelegen, war aber schon 1999 unter d9e 60-Prozent-Marke gefallen und hatte sich zuletzt in Richtung 50 Prozent bewegt. So kommt es, dass trotz sinkender Bevölkerungszahl die Zahl der Wähler gestiegen war. Vielleicht ist die Demokratie noch nicht ganz am Ende.

Das Wahlergebnis war dagegen weniger schön. Die ehemals seriösen Wochenzeitung DIE ZEIT ließ sich sogar ernsthaft dazu hinreisen, eine neue Ostkolonisation als Mittel gegen die Stärke der AfD ins Gespräch zu bringen.

Mir war aufgefallen, dass die AfD in Thüringen zwar einen Sitz mehr hat als die CDU, die Linkspartei sogar acht, die CDU allerdings mit 21 deutlich mehr Wahlkreise direkt gewinnen konnte als die beiden Konkurrenten, die je elf gewannen. Meine These war, dass die CDU stärker in der Gunst der Wähler schwankt, also in einigen Regionen sehr gut abschneidet, in anderen sehr schlecht.

These nur teilweise bestätigt

Um es kurzzumachen, die These hat sich nur teilweise bestätigt. Um sie zu überprüfen, habe ich für die Landesstimmen (die Zweitstimme) die Standardabweichung über alle Wahlkreise berechnet. Dabei wird für jeden Wahlkreis zunächst berechnet, wie stark das Ergebnis vom Landesdurchschnitt abweicht. Dann wird diese Abweichung quadriert und daraus wird ein Mittelwert (genauer das arithmetische Mittel) berechnet. Schließlich wird die Wurzel gezogen und das ist unsere Standardabweichung.

Tatsächlich ist die für die CDU mit 5,1 Prozent größer als für alle anderen im Parlament vertretenen Parteien, zu denen künftig auch die FDP zählt. Auch die Spannweite, also die Differenz zwischen niedrigstem und höchstem Wert, ist für die CDU mit 27,1 Prozent besonders hoch. Nur 13,0 Prozent hat die CDU im Wahlkreis Jena I, 40,1 Prozent dagegen in Eichsfeld I. Linkspartei und AfD kommen nur auf eine Differenz von 21,1 beziehungsweise 18,7 Prozent. Tatsächlich ist das beste Ergebnis der AfD mit 29,9 Prozent in Gera II auch deutlich schlechter als das Spitzenergebnis der CDU, die AfD ist aber konstanter vorne. Sie ist in 31 Bezirken besser und nur in 13 schlechter als die CDU.

Auch die Linkspartei hat deutlich konstantere Ergebnisse als die CDU erzielt. Sie ist in ihrem besten Bezirk, Suhl/Schmalkalden, mit 39,1 Prozent etwas schlechter als die CDU in ihrem besten Bezirk, dafür aber in Eichsfeld I, der CDU-Hochburg, mit 17,9 Prozent auch deutlich besser als die CDU in Jena I.

Noch geringer sind die Schwankungen bei SPD und Grünen, allerdings haben beide im Land mit 10,8 beziehungsweise 6,5 Prozent auch deutlich weniger Zuspruch als die anderen drei Parteien. Erst recht gilt das für die FDP, wo die Schwankung zwischen schlechtestem Ergebnis (Sonneberg I, 2,7 Prozent) und bestem Ergebnis (Jena II, 7,9 Prozent) nur 5,2 Prozent beträgt, das aber immerhin mehr ist, als die Partei durchschnittlich an Stimmen erreicht hat.

Große Unterschiede bei den Grünen

Teilt man die Standardabweichung und die Spannweite jeweils durch das Ergebnis des Landes, ist die CDU nicht mehr so auffällig. Die Differenz von höchstem zu niedrigstem Wert liegt beim 1,2fachen des Landesergebnisses. Das ist zwar mehr als bei AfD und Linkspartei mit 0,8 beziehungsweise 0,7, aber nicht annähernd so viel wie bei den Grünen, die 16,3 Prozent in Jena I bekommen, aber nur 2,4 Prozent im Kyffhäuserkreis. Die Differenz von 13,9 Prozentpunkten entspricht dem 2,7fachen des Landesdurchschnitts von 5,2 Prozent.

Das Ergebnis der Grünen ist auch deshalb bemerkenswert, weil die Partei gegen den Bundestrend zum zweiten Mal in Folge verloren hat. 2009 hatte sie noch 6,2 Prozent erreicht, 2014 5,7 Prozent und jetzt nur noch 5,2 Prozent. Vor allem aber sind die Unterschiede dort so groß. In Jena I und II, Erfurt II und III sowie Weimar II erreicht die Partei zweistellige Ergebnisse, dafür liegt sie in 14 Wahlkreisen unter 5,0 Prozent, im Altenburger Land I und im Saale-Orla-Kreis I und II liegt sie sogar unter 3,0 Prozent.

Wahl Thüringen Statistik
Das Theater in Weimar.

Auch diese Betrachtung hat natürlich ihre Tücken. So wie bei einem reinen Vergleich der Differenz in Prozentpunkte von bestem zu schlechtestem Ergebnis die großen Parteien wegen ihrer Stimmen auch höhere Schwankungsbreiten haben, so haben bei einem relativen Vergleich (Spannweite in Relation zum Durchschnitt) kleine Parteien höhere Werte. Die Korrelation für diesen zweiten Fall liegt bei -0,3 und damit im mittleren Bereich.

Aber auch, wenn man das berücksichtigt ist die Schwankung der Grünen unglaublich hoch. Selbst unter den Kleinstparteien liegt nur bei einer, nämlich dem Bündnis von ÖDP und Familien-Partei, Differenz zwischen bestem und schlechtestem Ergebnis in Relation zum Durchschnittsergebnis höher.

Auch der Variationskoeffizient, also die Standardabweichung geteilt durch das arithmetische Mittel, liegt bei den Grünen mit 61 Prozent deutlich höher als bei CDU (23 Prozent), Linkspartei (13 Prozent), AfD (18 Prozent) oder auch der annähernd gleich starken FDP (21 Prozent).

Fazit

Tatsächlich ist es also weniger die CDU, als vor allem die Partei Bündnis90/Die Grünen, deren Ergebnisse stark schwanken. Allerdings gibt es bei der CDU tatsächlich größere Unterschiede im Ergebnis als bei Linkspartei und AfD. Das aber die CDU bei den Erststimmen (Wahlkreisstimmen) so viel erfolgreicher ist als bei den Zeitstimmen (Landesstimmen), dürfte auch mit der regionalen Verankerung zu tun haben. Immerhin war Thüringen lange Zeit eine CDU-Hochburg, noch bis 2009 hatte die CDU die absolute Mehrheit inne. 1990 und 1994 hatte sie die absolute Mehrheit nur knapp verfehlt, 1999 und 2004 aber erreicht. Offenbar gibt es noch viele starke Ortsverbände, bei den Wahlkreisstimmen wäre die CDU nach wie vor stärkste Kraft. Dagegen sind es vor allem die Grünen, deren Ergebnisse sehr stark schwanken.