Zugegeben, dieser Beitrag kommt reichlich spät. Bereits am 21. März veröffentlichte die Bundesbank im Rahmen der „Household Finance and Consumption Survey“ der Euroländer die Ergebnisse der Panelstudie „Private Haushalte und ihre Finanzen“. Seitdem haben auch Medien, Parteien und Verbände die Studie regelmäßig zitiert und interpretiert. Mal nach dem Motto „arme Deutsche unterstützen reiche Südländer“ oder als Beleg für die große Ungleichverteilung der Vermögen in Deutschland.
In den Beiträgen, die ich gelesen habe, wurden aber nie die Daten dargestellt. Deshalb hole ich das jetzt nach.
Wie die Grafik zeigt, ist das Mediannettovermögen der Haushalte in Deutschland tatsächlich das niedrigste in der EU. Nettovermögen deshalb, weil Schulden gegengerechnet wurden. Der Median gibt das Vermögen an, zum dem es genauso viele höhere wie niedrigere gibt.
Weil dabei keine Rolle spielt, wie viel die anderen Vermögen höher oder niedriger sind, liegt das Medianvermögen in allen Ländern etwas niedriger als das durchschnittliche Vermögen. Hier ein Beispiel: bei drei Menschen mit einem Vermögen von 10,00, 10.000,00 und 10.000.000,00 Euro wäre der Median 10.000,00 (der mittlere der drei Werte), der Durchschnitt (arithmetisches Mittel) dagegen rund 3,3 Millionen.
Mittelwert höher
Dieses arithmetische Mittel liegt in Deutschland deutlich höher, wie die zweite Grafik zeigt. Die Länder sind wie oben nach dem Medianvermögen sortiert, so erkennt man leicht, dass in Deutschland und Österreich das durchschnittliche Nettovermögen höher liegt als in vielen anderen Ländern, in denen der Median weiter oben liegt. In Deutschland ist das arithmetische Mittel rund dreimal so hoch wie der Median, in Österreich 3,5-mal. Das passiert vor allem dann, wenn die Vermögen besonders ungleich verteilt sind
„Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen“, urteilte das Institut der deutschen Wirtschaft. Die Zahlen berücksichtigten weder die unterschiedliche Haushaltsgröße noch die geringere Eigentumsquote bei Häusern und Wohnungen oder den Immobilienpreisverfall in Spanien seit der Erhebung. Und auch die gute staatliche Absicherung in Deutschland werde nicht berücksichtigt. Die Ansprüche an die Rentenversicherung seien auch eine Art Vermögen.
Deutschland ungleicher?
Quatsch, urteilte die Wochenzeitung DIE ZEIT. Die staatliche Absicherung sei in vielen Ländern ähnlich hoch. Man könnte noch hinzufügen, dass die Umverteilungswirkung des deutschen Rentensystems zwischen arm und reich dadurch gemindert wird, dass Geringverdiener auch nur geringe Renten erhalten.
Völlig absurd sei das Argument des Wohneigentums. Das IW Köln argumentiert, dass ein großer Teil des Wohneigentums in der Hand von Unternehmen und damit nicht als Privatvermögen erfasst wäre. Das überzeugt tatsächlich nicht, abgesehen von kommunalen Wohnungsbauunternehmen. Denn bei Privatunternehmen stellten die Anteile daran, sofern in deutscher Hand, wieder ein Privatvermögen dar. Auch wenn der Wert der Anteile bei Genossenschaften eventuell nicht den vollen Unternehmenswert widerspiegelt.
Auch die in Deutschland unterproportionale Haushaltsgröße ist nur ein schwaches Argmument. Sie relativiert zwar das geringe Medianeinkommen, weil sich das Geld auf mehrere Köpfe verteilt, nicht aber den großen Unterschied zwischen Median und arithmetischem Mittel.
Sind die Ossis schuld?
Mein nächster Verdacht war, dass die geringen Vermögen in Ostdeutschland und der Ost-West-Unterschied eine Rolle spielen könnten. Also habe ich den Osten und den Westen getrennt betrachtet.
Doch auch für Westdeutschland alleine bleibt das Ergebnis ähnlich. Der Median liegt relativ niedrig, wenngleich nicht mehr am unteren Ende. Doch das arithmetische Mittel ist deutlich höher. Auch in Westdeutschland ist der Unterschied zwischen Median und arithmetischem Mittel groß, nur in Ostdeutschland und Österreich ist er noch größer. Ob sich das alleine aus den nicht erfassten Vermögen in Form von Pensions- und Rentenzusagen erklären lässt ist fraglich.
Vieles spricht dafür, dass Vermögen hierzulande deutlich ungleicher verteilt sind als wir gedacht haben.
man muss nur mal die schweiz z.B. als Bsp. nehmen oder Holland:
in der Schweiz sind Renten gestaffelt – Geringverdiener erhalten bis zu 80% des letzten EK als Rentenniveau. In Holland beträgt die Grundrente schon mal 1100 Euro auch wenn man nur Teilzeitler und Hausfrau war — DE hingegen hat GRUSI mit dem HartzIV-Satz um 670 Euro.
Das soll ein hohes Rentenniveau sein? Immer mehr erhalten in DE nur solche Renten.
Volkswirte sollten mal nicht nur alles mathematisieren mit irgendwelchen modellen, sondern mal die Realität vergleichen. Dann fällt einem auf, dass in DE in Wirklichkeit der Sozialstaat eben nicht der Beste ist.
Man muss immer Länder vergleichen und wird sehen, dass in vielen Ländern Strukturen teilweise mehr sozialen Ausgleich bewirken.
genau wie mit dem Fachkräftemangel — immer mit anderen Ländern die Arbeitskonditionen vergleichen. Dann sieht man, wo Mangel ist und wo nicht.
Zeitarbeit wird in allen westeuropäischen ländern und auch in Australien, NZ gleich bezahlt.. Mindestlohn gibts auch überall anderswo. Es zählen Fakten im Ländervergleich, nicht vorurteile.
Das Argument mit der Rente ist nn wirklich hohl: ich kenne da Zahlen der OECD, dass das Rentenniveau sogar sehr niedrig ist im Vergleich mit anderen Ländern. Die Renten werden außerdem immer weiter abgesenkt, auf ein Niveau von irgendwann nur noch ca. 38%, womit wir uns dann am untersten Rand befinden. Da immer mehr Frauen nur Minijobs finden in vielen Gegenden, erhalten sie nur geringe Rentenansprüche.
ich vergleich DE immer mit anderen Ländern, die ich kenne und stelle fest, so gut wie behauptet ist der Sozialstaat hier gar nicht. Holland, DK, Schweiz etc. sichern Geringverdiener und damit Frauen in ihren Rentensystemen weit besser ab, um mal Bsp. zu nennen.
Die Lohnzurückhaltung war nirgends in West-EU so ausgeprägt wie hier — dadurch sinken auch Rentenansprüche etc.
wenn ich an die Zukunft in DE denke und an die Gegenwart, dann wird mir persönlich nur schlecht:
ich bin jetzt 35 Jahre alt und hab in DE weder einen Vermögensaufbau, noch Einkommenszuwächse in nennenswerter Höhe, noch berufliche Karriereperspektiven, noch Familie, noch sonstwas geschafft.
Nun kann man sagen, dass ist PP = persönliches Pech. Aber vielen anderen scheint es ja genauso zu gehen. Ich überlege mittlerweile mein Glück im ausland zu probieren. Es klappt in DE einfach nicht, sich ein Leben aufzubauen, dass einigermaßen vernünftig ist.
DE ist kein Land mehr für Vermögensaufbau, so einfach ist das. Denn dafür braucht man steigende Löhne, angemessene Bezahlung, intakte Familien, Karrieremöglichkeiten, statt festzementiert zu werden in schlecht bezahlten Berufen.
Reale Lohnzuwächse hatte nur das oberste EK-Dezil.