Nach dem eher ernsten und auch emotional aufgeladenem Thema Flächenverbrauch bei Bioprodukten möchte ich diesen Monat wieder mal ein eher lockeres Thema auswählen. Es geht um Glücksspiel und Wetten. Und weil aktuell die Fußball-Europameisterschaft vor allem um Sportwetten.

Natürlich wissen wir alle, dass Glücksspiel gefährlich ist. Man kann dabei viel Geld verlieren. Aber wer Spaß an der Wahrscheinlichkeitsrechnung hat, ist von dem Thema oft fasziniert, denn genau darum geht es dort, um Wahrscheinlichkeiten. Blaise Pascale, einer der Pioniere der Wahrscheinlichkeitsrechnung, wurde durch das Glücksspiel zu seinen Gedanken animiert.

Der Wettanbieter gewinnt

Sportwetten sind ein fast noch dankbares Geschäft als Kasinos – und selbst mit letzten lässt sich so viel Geld verdienen, dass in der Wüste Nevadas eine ganze Stadt davon lebt.

Bild von Las Vegas zur Illustration des Themas Wahrscheinlichkeiten beim Wetten
Las Vegas verdankt seinen Reichtum vor allem den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Bild: PatternPictures auf Pixabay

Bei Kasinos ist die Sache einfach. Wer auf eine Zahl setzt und gewinnt, bekommt das 36-fache, es gibt aber 37 Zahlen, nämlich von 0 bis 36. Wer richtig auf eine Farbe setzt, erhält das Doppelte seines Einsatzes, aber bei der Null verlieren beide Farben und die Bank gewinnt.

Nur die große Masse an Spielen sorgt dafür, dass die Bank am Ende fast sicher gewinnt. Theoretisch könnte sie aber auch Pech haben und die Spielerinnen und Spieler häufiger richtig als falsch liegen. Unwahrscheinlich, aber möglich. Sie kann natürlich auch Glück haben und noch mehr gewinnen, als nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre.

Bei Sportwetten verlieren die Spieler wirklich immer

Bei Sportwetten lassen sich die Quoten dagegen so festlegen, dass der Buchmacher immer gewinnt. Der Begriff Buchmacher zeigt schon, dass der eigentlich selbst nicht mitspielt, er erfasst in seinem Wettbuch nur die Einsätze und legt entsprechend die Quoten fest. Einen Teil der Einnahmen behält er als Lohn für seine Arbeit. Wir werden gleich sehen, wie viel das ist.

Bild von Chile
In Chile gibt es nicht nur alle Klimazonen der Welt, sondern auch Sportvereine mit originellen Namen. In der ersten Liga spielt Italien gegen Palästina. Bild: David Mark auf Pixabay

Wie der Buchmacher immer gewinnen kann, ist ganz einfach. Er definiert die Quoten einfach als Kehrwert der Anteile der gesetzten Gelder. Ein völlig fiktives Beispiel: Es spielt CD Palestino gegen Audax Italiano. Das sind nicht die Nationalmannschaften von Palästina und Italien, sondern zwei Vereine in der ersten chilenischen Liga, die ich wegen der lustigen Namen ausgewählt habe. Italiano ist übrigens Tabellenführer, Palestino liegt ziemlich weit hinten. Deshalb werden 70 Prozent der Einsätze auf Italiano gesetzt, nur 20 Prozent auf Palestino und 10 Prozent wetten auf ein Unentschieden. Wir schreiben das aber als Bruch, dann ist es einfacher.

CD Palestino
vs.
Audax Italiano
Palestino gewinnt 1/5
Unentschieden 1/10
Italiano gewinnt 7/10

Das Problem des Buchmachers ist natürlich, dass er am Anfang die Einsätze noch nicht kennt. Er wird die ersten Quoten also anhand von Daten aus der Vergangenheit und der aktuellen Stärke des Teams schätzen und dann nach und nach anpassen.

Um die Quoten festzulegen, dreht der Buchmacher den Bruch einfach um und erhält:

CD Palestino
vs.
Audax Italiano
Palestino gewinnt 5
Unentschieden 10
Italiano gewinnt 10/7 = 1,43

Weil er auch Geld verdienen will, wird er die Quoten aber noch etwas schlechter gestalten. Zum Beispiel so.

CD Palestino
vs.
Audax Italiano
Palestino gewinnt 4,5
Unentschieden 9,0
Italiano gewinnt 1,3

So wird er auf jeden Fall gewinnen. Dass das keine Theorie ist, sehen wir an einem praktischen Beispiel.

Die Quoten in der Praxis

Schweiz vs.Belgien vs.Tschechien vs.Ukraine vs. 
SpanienItalienDänemarkEngland
5,303,203,808,50
3,903,003,204,50
1,652,452,101,40

Die Wettquoten habe ich bei einem Wettanbieter gefunden, bei dem die 5 % Wettsteuer bereits eingepreist ist. Das macht die Berechnung einfacher. Namen nenne ich keine, ich will ja keine Schleichwerbung machen.

Keine Ahnung, was ein Unentschieden bei einer EM-Endrunde bedeutet. Vermutlich, dass bis zur Nachspielzeit niemand gewonnen hat. Vielleicht auch, dass es zum Elfmeterschießen kommt.

Stellen wir uns vor, es würden insgesamt 1.000.000,- gesetzt. Natürlich wissen wir nicht, welcher Anteil auf welchen Ausgang gesetzt hat, aber können das Schätzen, indem wir auch hier die Quoten wieder umdrehen.

Schweiz vs.Belgien vs.Tschechien vs.Ukraine vs. 
SpanienItalienDänemarkEngland
Sieg Land11/5,301/3,201/3,801/8,50
Unentschieden1/3,901/3,001/3,201/4,50
Sieg Land21/1,651/2,451/2,101/1,40
Summe1,0511,0541,0521,054

Wenn wir das tun, erhalten wir in der Summe allerdings mehr als 100 Prozent, genauer gesagt liegt sie zwischen 105,1 und 105,4 Prozent. Das liegt daran, dass der Wettanbieter auch etwas verdienen will. Teilen wir alle Zahlen einer Spalte durch die Summe, also in der Spalte Schweiz gegen Spanien durch 1,051, erhalten wir ein Ergebnis, dass vermutlich relativ genau den Anteil der gesetzten Gelder abbildet.

Schweiz vs.Belgien vs.Tschechien vs.Ukraine vs. 
SpanienItalienDänemarkEngland
17,9%29,6%25,0%11,2%
24,4%31,6%29,7%21,1%
57,7%38,7%45,3%67,8%
100,0%100,0%100,0%100,0%

Das bedeutet beispielsweise, dass (vermutlich) rund 25,0 Prozent der Einsätze im Spiel Tschechien gegen Dänemark auf Tschechien gewettet wurden. Stellen wir uns vor, es wurde 1.000.000,- Euro gesetzt. Dann wären drei Viertel der Einsätze verloren, denn sie wurden auf ein Unentschieden oder einen Sieg Dänemarks gesetzt.

250.000,- Euro wurden auf Tschechien gesetzt. Sie werden mit einer Quote von 1:3,80 ausgezahlt. Das entspricht genau 950.000,- Euro. Die Spielerinnen und Spieler erhalten also 50.000,- Euro weniger zurück, als sie gezahlt haben.

Das meiste Geld bekommt der Staat

Allerdings ist es erstaunlich, wie wenig Geld damit letztendlich beim Buchmacher bleibt. Denn bei Einsätzen von 1.000.000,- Euro bekommt der Staat schon 47.619,05. Das sind die 5 %-Wettsteuer, die 2012 eingeführt wurde.

Dass es nicht genau 50.000,- Euro sind, liegt daran, dass die Steuer auf den Nettobetrag berechnet wird. Die Einsätze von 1.000.000,- Euro enthalten bereits die Wettsteuer, entsprechen also 105,0 Prozent der Einsätze. Wir rechnen also nicht von Hundert, sondern in Hundert. Wir teilen also 50.000,- Euro durch 105 und multiplizieren es dann mit 5.

Zieht man die 47.619,05 Steuern vom Verlust der Teilnehmenden in Höhe von 50.000,- Euro ab, bleiben dem Buchmacher von Einsätzen in Höhe von 1,0 Millionen Euro nur 2.380,95 Euro. Das kommt mir sehr wenig vor, wenn man bedenkt, wie viel Werbung die Wettanbieter schalten. Denkbar, dass es irgendwo ein Steuerschlupfloch gibt. Oder die Masse macht’s.

So oder so gewinnt bei Sportwetten vor allem der Staat.