In meinem Heimatort, immerhin eine Stadt mit 8.000 Einwohnern und Kreissitz, schließt die BayWa ihre Pforten. BayWa, das stand bis 1972 für Bayerische Warenvermittlung landwirtschaftlicher Genossenschaften AG. Die BayWa ist nämlich ursprünglich ein Zusammenschluss der bayerischen Raiffeisengenossenschaften, wohlgemerkt nicht der Banken, sondern des genossenschaftlichen Landwirtschaftshandels. Dorthin bringen Bauern also ihre Ernte und beziehen Kunstdünger, Futter oder Maschinen.
Der Siloturm der BayWa war immerhin das erste, was man von Norden kommend von der Stadt gesehen hat (im Süden gibt es ein Zementwerk mit noch höheren Türmen). Das hat mich daran erinnert, dass ich mich schon lange nicht mehr mit dem Thema Landwirtschaftsstatistik beschäftigt habe.
Im kürzlich veröffentlichten Beitrag zu den „Helden der Wissenschaft“ ging es ja viel um Landwirtschaft und auch sonst habe ich ja, gerade in der ersten Zeit des Blogs, einige Mal auch über die Gülle und Nebenerwerbslandwirte geschrieben. Heute geht es um ein Thema, das auch in den klassischen Medien immer wieder auftaucht, nämlich die rückläufige Zahl von Bauernhöfen.
Die ist nicht wirklich überraschend. Denn dank des technischen Fortschritts wird immer weniger Arbeitskraft benötigt, um eine bestimmte Menge an landwirtschaftlichen Erzeugnissen zu produzieren. Weil der Verbrauch nicht im gleichen Maße zunimmt, werden also weniger Arbeitskräfte benötigt. Und weil Bauerhöfe in der (West-) Deutschland meist keine großen Junkergüter sind, die dann einfach Personal abbauen, sinkt die Zahl der Höfe. So weit, so langweilig.
Allerdings gibt dann doch ein paar interessante Erkenntnisse. Vor allem, wenn man die Entwicklung der Tierhaltung betrachtet. Sich durch die Daten zu kämpfen ist allerdings gar nicht so einfach. Da ist zunächst einmal die Wiedervereinigung, durch die die Zahl der Höfe kurzfristig stieg. Betrachtet man die Daten auf Ebene der Bundesländer, taucht ein anderes Problem auf. Bekanntlich kam auch das Saarland erst 1957 zur Bundesrepublik (weshalb es die Länderkennziffer 10 trägt, obwohl die Nummerierung der alten Länder von Nord nach Süd erfolgte, während die Nummern bei den Neuen Ländern alphabetisch beginnend bei 11 vergeben wurden). Deshalb gibt es keine Daten für das Saarland ab 1950.
Außerdem sind die Daten für viele Tierarten sehr lückenhaft, Betriebe mit Ziegen werden nur bis 1973 regelmäßig gezählt. Damals wurde beschlossen, die Tiere nur noch alle vier Jahre zu erfassen, nach nur einer Erhebung im Jahr 1977 stellte man das aber ganz ein. Erst seit 2010 wird die Zahl alle drei Jahre wieder erhoben. Wirklich gut sind die Daten nur für Rinder- und Schweinehalter. Und dort aber gibt es immer wieder Änderungen bei der Erfassung.
Die Ergebnisse
Betrachtet man die Entwicklung für die neun Länder, die bereits 1950 fest zur Bundesrepublik gehörten (also auch ohne das Saarland und ohne Berlin), dann zeigt sich, dass vor allem die Zahl der Schweinehalter stark zurück gegangen ist. 1950 hielten noch 1,3 Millionen Betriebe Schweine, 2018 waren es in den westdeutschen Ländern ohne Saarland noch 21.400, das sind 0,9 Prozent. Vor allem zwischen 2009 und 2010 brach die Zahl deutlich ein. Bundesweit (also einschließlich der Neuen Länder und dem Saarland) halbierte sich die Zahl der Schweinehalter. Das sieht auf den ersten Blick nach einer geänderten Erfassung aus, leider gibt es in den Anmerkungen des Statistischen Bundesamtes keinen Hinweise auf eine Änderung. Natürlich können aber auch strengere gesetztliche Regelungen die Ursache sein.
Und natürlich ist die geringere Zahl von Schweinehaltern nicht gleichzusetzen mit einem Höfesterben. Sie ist teilweise auch Folge einer Spezialisierung. Früher hatten viele Bauern neben Kühen auch Hühner und Schweine. Sie werde dann einmal bei den Betrieben mit Viehaltung, einmal bei denen mit Hühnerhaltung und einmal bei denen mit Schweinemast gezählt. Deshalb ist die Gesamtsumme der Betriebe nicht gleichzusetzen mit der Zahl der Bauernhöfe – und der Rückgang dieser Zahlen nicht mit einer Aufgabe von Höfen.
Das könnte auch erklären, warum gerade die Zahl der Schweinehalter so stark sank. Früher hatten viele Bauernhöfe auch Schweine, ja es gab 1950 sogar deutlich mehr Schweine- als Rinderhalter, denn Schweine sind günstiger. Heute haben sich die Betriebe spezialisiert – und weil ein Schweinemastbetrieb wesentlich mehr Tiere hat als ein Rindermast- oder Milchviehbetrieb, ist die Zahl so stark zurückgegangen.
Kein neues Phänomen
Besonders stark ist der Rückgang der Rinder- und Schweinehalter übrigens Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre. Das hat verschiedene Gründe. Beispielsweise begann damals sehr stark die heute noch übliche Spezialisierung. Außerdem war die Konjunktur gut und die Kinder der Landwirte fanden Arbeit in anderen Bereichen. Zumal die Bildungsexpansion dafür sorgte, dass viele die Mittlere Reife oder das Abitur machten, während ihre Eltern meist nur die Volksschule besucht hatten. Und dann sorgte der Wertewandel dafür, dass Kinder sich gegen den Wunsch ihrer Eltern auflehnten und den Hof eben nicht übernahmen, sondern lieber in die Stadt zogen.
Sank auch die Zahl der Tiere?
Denn die Zahl der Tiere ist über die Jahre stetig gestiegen. In Bayern beispielsweise stieg die Zahl der Kälber von 337.177 im Jahr 1950 auf 605.389 im Jahr 2018. Gesunken ist dagegen die Zahl der Jungrinder über einem Jahr und vor allem die der Bullen und Ochsen, die älter als zwei Jahre alt sind. Denn letztere bringen kein leckeres Fleisch, sie wurden früher oft als Arbeitstiere eingesetzt, aber das hat sich durch die Einführung von Traktoren erledigt. Deshalb gibt es in Bayern 2018 nur noch 14.627 alte Ochsen und Bullen, 1950 waren es noch 231.447 gewesen.
Ähnlich sieht es bei den Schweinen aus, die Zahl der Ferkel stieg von 610.148 auf 848.000, die Zahl der Jungschweine ohne Ferkel sank von 1.112.238 auf 585.200. Wobei letzteres auch an der regionalen Spezialisierung liegt. In Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen stieg die Zahl der Jungschweine.
In jedem Fall ist die rückläufige Zahl der Schweine- und Rinderhalter keine Folge eines geringeren Fleischverbrauchs, sondern von größerer Effizienz und Spezialisierung. Weil viele Betriebe jetzt nur noch Schweine oder nur noch Rinder halten oder nur noch Sonderkulturen anbauen, fallen sie dann aus einzelnen Unterstatistiken heraus.