Liebe Leser, wenn Ihr jetzt einen Beitrag wie „Die geheimen Herrscher von Deutschland“, „Wie der Mossad/die CIA Deutschland regiert“ oder „Die große Weltverschwörung“ erwartet, seid Ihr hier falsch. Besucht lieber einen meiner Vorträge zum Thema „Alternative Fakten“. Vielleicht könnte Ihr bald auch mein Buch zu dem Thema kaufen.

Ich möchte dagegen, ganz profan, auf unsere 16 Landesregierungen schauen. Ein Teil der politischen Entscheidungen wird ja nicht im Bund, sondern in den Ländern getroffen, auch wenn deren Bedeutung in den über 70 Jahren Bundesrepublik immer weiter ausgehöhlt wurde.

Was auch vielen politisch Interessierten nicht bewusst sein dürfte ist, welche Vielfalt an Modellen es auf Landesebene längst gibt, vor allem im Osten. Und, dass wir jetzt drei in fast gleich vielen Regierungen vertretene Parteien haben. Auch wenn natürlich einige Parteien häufiger den Ministerpräsidenten oder die Ministerpräsidentin stellen, als andere.

Anzahl der Landesregierungen, in denen die jeweilige Partei vertreten ist. Die Parteien wurden nach dem Stimmenanteil bei der aktuellen Prognose für die Bundestagswahl sortiert, wobei die CSU aus praktischen Gründen neben die CSU gestellt wurde. Quelle: Wikipedia

SPD und Grüne sind in jeweils elf Landesregierungen vertreten. Die CDU kommt auf nur zehn, allerdings ist die Schwesterpartei CSU seit nunmehr 63 Jahren ununterbrochen in der Staatsregierung Bayerns vertreten. Bayern ist aktuell auch das einzige Land, in dem mit den Freien Wählern eine nicht im Bundestag vertretene Partei an der Regierung beteiligt ist. Die Linkspartei und die FDP sind in jeweils drei Landesregierungen vertreten.

Die Grünen haben somit längst die FDP als hauptberufliche Regierungspartei ersetzt, vor allem im Westen. Denn in den zehn alten Bundesländern (natürlich ohne West-Berlin, das ja kein eigenes Land mehr ist) sitzen die Grünen mittlerweile in sechs von zehn Regierungen, also in genauso vielen wie die CDU (ohne CSU) und einem mehr als die SPD.

Die SPD regiert den Osten

Die SPD ist dagegen, obwohl sie im Osten unter der Linkspartei leidet, die eigentliche Herrscherin des Ostens. Sie ist in allen sechs Ost-Ländern (also einschließlich Berlin) Regierungspartei. Außerdem stellte sie drei Ministerpräsidenten beziehungsweise -präsidentinnen, die CDU nur zwei und die Linkspartei einen.

Insgesamt sind rote und schwarze was die Regierungsoberhäupter angeht noch ziemlich unter sich. Die Grünen mögen, wie die SPD, in elf Parlamenten vertreten sein, sie stellen aber nur einen Ministerpräsidenten, die SPD sieben und die CDU sechs. Die übrigen beiden entfallen auf die CSU und die Linkspartei.

Viele Kombinationen

Vorbei sind aber die Zeiten, in denen sich zwei Blöcke gegenüberstanden, ein rot-grüner und ein schwarz-gelber, vielleicht durchsetzt von einigen rot-schwarzen Koalitionen. Die einzige unüberbrückbare Grenze besteht aktuell zur AfD, die zur Linkspartei wurde schon vor vielen Jahren eingerissen. Auch sonst ist alles denkbar, wie die nächste Grafik zeigt.


Gleich fünf Kombinationen gibt es in nur einer einzigen Landesregierung. Keine gibt es in mehr als drei Ländern. Insgesamt gibt es in den 16 Ländern neun verschiedene

Die Klassiker rot-grün und schwarz-gelb, aber auch die oft diskutierte und selten umgesetzte Ampelkoalition gibt es jeweils nur ein einziges Mal. Genauso oft wie die legendäre Jamaika-Koalition, früher auch Schwampel (schwarze Ampel) genannt.

Von den Klassikern ist nur die große Koalition (schwarz-rot) vorne mit dabei, sie gibt es in drei Ländern. Wobei die SPD ihren Platz als zweitstärkste Partei überwiegend verloren hat, der Name „große Koalition“ also nur noch begrenzt passt. Eine echte große Koalition ist dagegen rot-schwarz-grün, sie kommt in ebenfalls drei Ländern vor. Das lange verpönte dunkelrot-rot-grün gibt es ebenfalls gleich dreimal. Auch schwarz-grün war lange nur schwer denkbar, jetzt werden drei Landesregierungen in dieser Form regiert, eine davon mit einem grünen Ministerpräsidenten.

Wer hätte das noch vor 10 Jahren gedacht?

Tempora labuntur, tacitisque senescimus annis;
Tempora mutantur, nosque mutamur in illis.

Die Zeiten gleiten durch die stillen älteren Jahre;
Die Zeiten ändern sich und wir ändern uns mit ihnen.

Caspar Huberinus nach einem Vers Ovids