Eigentlich braucht ein gutes Leben nur zwei Zutaten: Es muss glücklich und lang sein.

Jetzt werden sicher viele fragen: „Was ist mit der Freiheit?“, „Was ist mit dem Wohlstand?“, „Was ist mit der Gerechtigkeit?“. Na gut, ich habe es hier etwas vereinfacht. Einen Staat, der maximales Glück durch Ungerechtigkeit gegenüber einem Teil der Bevölkerung schafft, fände ich auch nicht gut.

Wohlstand ist dagegen nur ein Mittel zum Zweck. Das heißt nicht, dass er unwichtig wäre. Wer Geld hat, lebt im Schnitt länger und ist – ebenfalls im Durchschnitt – auch glücklicher. Aber diese beiden Faktoren messen wir ja bereits.

Gilt q=d*g?

Auch wenn also die Betrachtung etwas vereinfacht ist, so ist es doch spannend, sich mal die Daten anzusehen und nach Staaten zu suchen, die maximales Glück und hohe Lebenserwartung kombinieren. Das ist auch gar nicht so schwer, denn beides geht Hand in Hand.

Die folgenden beiden Grafiken zeigen die Verteilung aller Staaten, für die ich sowohl Daten zur Lebenserwartung (Quelle: CIA Worldfactbook) als auch zum Glück (World Happiness Report 2022) gefunden habe.

Glück wird dabei – wie üblich – mit einer Cantril’schen Leiter (Cantril’s Ladder) gemessen. Dabei müssen die Befragten ihr Leben auf einer Skala von 0 bis 10 bewerten, wobei 0 für das schlechteste denkbare Leben steht und 10 für das beste.

Lebensdauer (x-Achse) und subjektiv wahrgenommenes Glück (im Original Happiness, y-Achse für ausgewählte Staaten). Gestrichelt ist die Trendgerade, berechnet als lineare Einfachregression.
Wie die oben stehende Grafik, allerdings wurden hier die Achsen bei 50 (Lebenserwartung) und 2 (Glück) abgeschnitten. Rot markiert sind besondere Werte, nämlich – von links nach rechts – Afghanistan, Somalia, Dänemark und Singapur.

Weil es keine Länder mit einer Lebenserwartung von unter 50 und einem durchschnittlichen Glückswert von unter zwei gibt, habe ich die Achse mal etwas abgeschnitten. Grundsätzlich stehe ich dem Abschneiden von Achsen kritisch gegenüber, weil Grafiken dann schnell einen falschen Eindruck erwecken können. Daher zeige ich die Grafik einmal mit vollständigen und einmal mit abgeschnittenen Achsen.

Glück und Lebenserwartung hängen zusammen

Ein Blick auf die Grafik zeigt sofort, dass Lebenserwartung und Zufriedenheit sich zusammen entwickeln. Das ist wenig verwunderlich, beide hängen von Faktoren wie Wohlstand und Sicherheit ab. Wobei diese beiden sich ebenfalls beeinflussen. Ein Staat mit funktionierenden (und das Gemeinwohl verfolgenden) Institutionen und hohem gesellschaftlichem Zusammenhalt wird wohlhabend sein und lang lebende und zufriedene Menschen hervorbringen.

Die Korrelation (gemessen mit dem Spearman’schen Rangkorrelationskoeffizient) liegt bei 0,74. Das ist hoch, maximal möglich ist immer ein Korrelationskoeffizient von 1,00, aber schon ab 0,50 gilt eine Korrelation als stark.

Ausnahmen gibt es trotzdem

Natürlich gibt es Ausnahmen. Auffällig sind die vergleichsweise hohen Werte für das Glück in Somalia. Das Land hat nach Afghanistan und der Zentralafrikanischen Republik die niedrigste Lebenserwartung der hier untersuchten Länder. Es ist noch immer vom Terror heimgesucht, große Teile des Landes werden nicht von der Regierung (oder den Regierungen, denn einige Landesteile haben sich abgespalten) beherrscht, sondern von Milizen. Aber wenn man den Umfragen des Reports trauen darf, sind die Menschen dort ähnlich zufrieden wie in Bhutan, Hongkong oder Polen, wo die Lebenserwartung deutlich höher ist – und auch der Wohlstand (für Somalia gibt es keine verlässlichen Daten zum Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, es dürfte aber sehr niedrig liegen).

Daneben fühlen sich Menschen in Dänemark und Venezuela deutlich glücklicher, als man es anhand der Lebenserwartung erwarten dürfte. Die Dänen leben außerdem sehr lange, sie sind aber das glücklichste Volk in der Statistik überhaupt.

Dagegen sind die Menschen in Bulgarien, Georgien und Togo deutlich weniger glücklich, als man es anhand der Lebenserwartung vermuten könnte. Alle drei Länder erreichen Werte, die deutlich unter denen für Somalia liegen, obwohl sie wohlhabender und sicherer sind. Bei Georgien und Bulgarien kann das vielleicht an der Nähe zu den noch deutlich wohlhabenderen westeuropäischen Ländern liegen.

LandLebenserwartungZufriedenheit
Dänemark81,668,01
Finnland81,767,67
Venezuela73,297,16
Deutschland81,516,61
Japan84,836,51
Singapur86,356,46
Somalia55,725,52
Zentralafrikanische Republik55,524,16
Bulgarien75,573,84
Georgien77,503,67
Togo71,363,20
Afghanistan53,652,40

Die obige Tabelle zeigt Länder, die bei der Lebenserwartung besonders hoch (Singapur und Japan) oder niedrig (Afghanistan, Zentralafrikanische Republik) liegen, besonders glücklich (Dänemark, Finnland) oder besonders wenig glücklich (Afghanistan, Togo) sind oder stark vom erwarteten Wert abweichen, also in Relation zur Lebenserwartung besonders glücklich (Somalia, Dänemark, Venezuela) oder unglücklich (Togo, Georgien, Bulgarien) sind. Außerdem habe ich Deutschland zum Vergleich mit aufgenommen.

Ist ein Gesamtglücksindex sinnvoll

Nun könnte man aus beiden Zahlen einen Gesamtindex berechnen. Natürlich habe ich das auch mal gemacht. Allerdings gibt es tatsächlich einiges, was dagegen spricht, dass er besonders aussagekräftig ist.

Zunächst lässt sich die Erhebung von Glück allgemein kritisieren. Fühlen sich die Menschen in Dänemark wirklich so viel glücklicher als in Singapur? Oder misst man hier am Ende vor allem gesellschaftliche Normen? Denkbar ist, dass in einem Land von den Menschen erwartet wird, dass sie glücklich sein sollen, in einem anderen Glück dagegen glücklich zu sein einen negativen Anstrich hat. Vielleicht gilt in Somalia jemand als undankbar, der unglücklich ist, in Deutschland dagegen jemand als naiv, der glücklich ist. Das würde erklären, warum der Unterschied nicht so groß ist, wie man erwarten sollte. Wobei solcherlei Normen am Ende natürlich zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden können.

Das zweite Problem ist, dass die Cantril’sche Leiter ordinal skaliert ist. Wir wissen nicht, ob der Unterschied zwischen 9 und 10 Punkten genauso groß ist wie zwischen 3 und 4.

Ein noch größeres Problem ist, dass wir keine negativen Werte haben. Ein Wert von 0 bedeutet in den meisten Fällen vermutlich nicht nur, dass die Person das Leben nicht genießt, sondern sogar, dass sie am Leben leidet.

Deshalb bitte ich, die oben stehende Grafik mit Vorsicht zu genießen. Ohnehin weicht sie kaum von dem Verlauf ab, den sie hätte, hätte man nur die Frage „Wie glücklich fühlen Sie sich“ ausgewertet. Dänemark wäre dann ebenfalls auf Platz 1, Finnland Platz 2 und die Schweiz Platz 3. Die obersten 10 Länder beim Glück sind auch beim kombinierten Index maximal einen Platz schlechter oder besser. Die unglücklichsten Länder verbessern oder verschlechtern sich ebenfalls kaum, nur Georgien steht beim kombinierten Index wegen der vergleichsweise hohen Lebenserwartung deutlich besser da.

Also keine sensationellen Ergebnisse. Aber auch das ist ja ein Ergebnis.

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